Gestrandet in Griechenland : Eine Woche Idomeni
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Tausende Migranten warten in Idomeni darauf, weiterreisen zu können. Bild: AP
Während wenige Kilometer weiter normaler Grenzbetrieb herrscht, stauen sich in dem griechischen Dorf Tausende Migranten. Die Stimmung schwankt zwischen Zorn und Verzweiflung.
Wenn der Name eines kleinen Ortes über Nacht auf einem ganzen Kontinent bekannt wird, geschieht das selten aus einem erfreulichen Anlass. Das gilt auch für das griechische Dorf Idomeni an der Grenze zu Mazedonien, dessen Name am Montag in den Fernsehnachrichten in ganz Europa auftauchte und am Tag danach auf den Titelseiten der „New York Times“ und anderer Zeitungen. Seit Österreich und vier ehemalige Teilrepubliken Jugoslawiens, deren südlichste Mazedonien ist, die „Balkanroute“ praktisch geschlossen haben und die mazedonischen Grenzschützer kaum noch Migranten einreisen lassen, ist Idomeni zu einem Synonym der Krise geworden. Mehrere tausend Leute stecken dort fest.
Angefeuert von einigen arabischsprachigen Einpeitschern, versuchen Anfang der Woche Hunderte Menschen die Grenze zu stürmen, reißen Teile des Ende vergangenen Jahres von den Mazedoniern errichteten Zauns nieder, werfen Steine auf mazedonische Polizisten. Als die sich durch den Einsatz von Tränengas zur Wehr setzen, löst sich die Menge auf der anderen Seite des Zauns in Panik auf, es gibt Verletzte. „Wenn das so weitergeht, wird es bald Opfer geben“, warnt ein griechischer Grenzpolizist. Er meint Todesopfer.
Lage könne jederzeit außer Kontrolle geraten
Am Dienstag sammeln sich zur Mittagszeit wieder etwa hundert Männer vor dem Grenztor an den Schienen der Bahnstrecke Thessaloniki-Belgrad und skandieren: „Öffnet die Grenze“. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen warnen, die Lage könne jederzeit wieder außer Kontrolle geraten. Etwa 9000 Menschen halten sich inzwischen am Grenzzaun auf, weiterhin kommen täglich Hunderte hinzu. Mit dem Wort „schwierig“ ist die Lage noch euphemistisch beschrieben. Ein Mitarbeiter der Caritas sagt: „Offiziell gibt es im Lager hier Platz für 1600 Flüchtlinge, der Rest schläft unter freiem Himmel oder in selbst mitgebrachten Zelten.“ Das von Hilfsorganisationen ausgegebene Essen reicht nicht immer. Migranten, die Geld haben, gehen in das 20 Minuten entfernte Idomeni, wo es einen kleinen Supermarkt gibt.
Am Mittwoch nutzt der slowakische Ministerpräsident Robert Fico den Zaun für einen Abstecher in seinem Wahlkampf: „Ich habe viel Entsetzliches gesehen, aber das hier ist nichts Entsetzliches, sondern eine Gefahr“, sagt er nach seiner Inspektion der Grenze. Wenn die Türkei und Griechenland die Migranten nicht aufhielten, müsse das eben anderswo geschehen. „Denn wenn Migranten erst in Massen durch Europa ziehen, wird es zu spät sein“, wird Fico zitiert.
Mazedoniens Außenminister Nikola Popoški kommentiert den Tränengaseinsatz vom Montag mit der Bemerkung, die mazedonische Polizei habe die Wahl gehabt, sich entweder zurückzuziehen „oder die illegalen Grenzübertritte mit Gewalt zu verhindern und so EU-Gipfelbeschlüsse umzusetzen“. Griechenlands Migrationsminister Giannis Mouzalas sagt: „Wir müssen die Grenze bei Idomeni als geschlossen betrachten. Es gibt keinen Grund, etwas anderes anzunehmen, und wir müssen uns auf die Folgen dieser Tatsache vorbereiten.“ In einem ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Interview wird Angela Merkel mit dem Satz zitiert, wer vor Bomben auf Aleppo fliehe oder vor den Mördern des „Islamischen Staates“, den könnten auch die schwierigen Umstände in Griechenland nicht schrecken.
„Wenn die jetzt losstürmen, hat die Polizei keine Chance“
Am Donnerstag kündigt die griechische Regierung an, einen Krisenstab zu bilden. Fast 32.000 Migranten seien im Land, knapp 7000 auf den Inseln, die übrigen am Festland, mehrheitlich in Idomeni. Dort besetzen viele zum wiederholten Mal die Gleise und legen damit den für den südwestlichen Balkan wichtigen Güterverkehr vom und zum Hafen Thessaloniki lahm. Einige nehmen Kinder mit auf die Gleise. Männer sammeln sich in Gruppen, die Fäuste zornig in die Luft gereckt, Parolen skandierend, wütend.