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Flüchtlingskrise : Der Strom ebbt nicht ab

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Eine Helferin trägt ein kleines Kind auf dem Arm, das in das Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos gebracht werden soll Bild: AP

Trotz des EU-Türkei-Abkommens kommen bislang kaum weniger Flüchtlinge nach Griechenland. Die personelle Unterstützung durch die EU bleibe noch aus, kritisieren die Griechen.

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          Das EU-Türkei-Abkommen schreckt Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa bislang offenbar nicht ab. Wie der Krisenstab der griechischen Regierung am Montag mitteilte, kamen seit dem Vortag 1662 Menschen über das Mittelmeer vor allem auf den Inseln Lesbos und Chios an. Allein auf diesen beiden Inseln trafen demnach 830 beziehungsweise 698 Flüchtlinge ein. Lesbos und Chios liegen unweit der türkischen Küste. Insgesamt seien damit mehr als 50.000 Flüchtlinge in Griechenland, hieß es am Montag.

          Das Anhalten der Flüchtlingsbewegung sei ein „objektives Problem“, sagte der Leiter der griechischen Behörde für Einwanderungspolitik (SOMP) Giorgos Kyritsis. Er verwies darauf, dass sich die türkische Seite verpflichtet habe, die Abreise der Flüchtlinge einzudämmen. Das Abkommen zwischen EU und Türkei, das in der Nacht zum Sonntag in Kraft getreten war, sieht vor, dass die Türkei irregulär nach Griechenland gelangende Flüchtlinge zurücknehmen muss. Für jeden in die Türkei zurückgebrachten syrischen Flüchtling will die EU einen Flüchtling aus Syrien aufnehmen. Die von der griechischen Regierung erwartete personelle Verstärkung aus anderen EU-Staaten blieb bislang aus.

          Vor einer Rückführung eines Flüchtlings von Griechenland zurück in die Türkei muss jeder einzelne Fall in einem Asylverfahren geprüft werden. Bislang ist das ein langwieriger Prozess. Nach Angaben der für Hilfseinsätze zuständigen Mitarbeiterin von „Ärzte ohne Grenzen“, Constance Theisen, betrug die Wartezeit auf den ersten Termin für einen Asylbewerber auf Lesbos im Februar noch drei Monate. In der Regel dauere das Verfahren dann noch einmal zwischen einem halben Jahr und einem Jahr.

          Bislang schreckt das EU-Türkei-Abkommen die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa offenbar kaum ab: Flüchtlinge am Montag nach ihrer Ankunft auf der Insel Lesbos
          Bislang schreckt das EU-Türkei-Abkommen die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Europa offenbar kaum ab: Flüchtlinge am Montag nach ihrer Ankunft auf der Insel Lesbos : Bild: AP

          Die aktuelle Situation verlange eine „dringliche Reaktion“, sagte Kyritsis. Insgesamt sollen 4000 zusätzliche Einsatzkräfte für die Bearbeitung der Flüchtlingsproblematik mobilisiert werden. Auf der Route von der Türkei über Griechenland und den Balkan waren im vergangenen Jahr schätzungsweise 850.000 Flüchtlinge nach Nordwesteuropa gelangt. In der Türkei halten sich derzeit fast drei Millionen Flüchtlinge auf, von denen viele nach Europa gelangen wollen.

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          Seibert: Umsiedlung nach Europa soll „zeitnah“ beginnen

          Auf Lesbos stellte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR derweil den Transport von neu eingetroffenen Bootsflüchtlingen zur zentralen Registrierstelle ein, dem Moria-Hotspot. Hintergrund ist nach Angaben von Sprecher Boris Cheshirkov die griechische Entscheidung, das Camp in ein geschlossenes Lager umzuwandeln, also in eines, welches die Flüchtlinge nicht auf eigenen Wunsch verlassen dürfen.

          Die Umsiedlung syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge nach Europa soll nach Angaben der Bundesregierung „zeitnah“ beginnen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, die Umsiedlung solle starten, sobald die ersten irregulär nach Griechenland gekommenen Flüchtlinge in die Türkei zurückgeführt worden sind. Seibert bezeichnete die Einigung mit der Türkei als „großen Fortschritt“ und sagte, das sei ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Schlepper. „Seit Sonntag hat eine neue Phase der Migration begonnen“, so Seibert. Die neue Regelung beinhalte die Botschaft, dass der Weg über Schlepper nicht nur teuer und lebensgefährlich, „sondern auch sinnlos ist“, sagte er.

          Das Bundesinnenministerium erklärte, dass demnächst ein Expertenteam in die Türkei reisen wird, um praktische Fragen im Zusammenhang mit der Umsiedlung zu klären. Zudem sollen deutsche Beamte die griechischen Behörden bei der Registrierung und Bearbeitung von Asylanträgen der Flüchtlinge unterstützen, die weiterhin über die Ägäis kommen. Von deutscher Seite angeboten seien bis zu 200 Bundespolizisten und 100 Asylexperten aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

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