Flüchtlingskrise : Die schöne und die hässliche Lösung
- -Aktualisiert am
Derzeit machen sich nur Menschen auf den langen Weg, die den körperlichen Strapazen gewachsen sind und das Geld für die Reise und die Schleusung aufbringen können. Entstünde über die Türkei, Griechenland und Italien ein gesicherter „humanitärer Korridor“ in die EU, könnte das eine Sogwirkung auf Flüchtlinge ausüben, die bisher noch nicht auf den Gedanken gekommen sind, nach Europa zu gehen.
Berlin : Merkel zum Asyl-Kompromiss der Koalition
Unschöne Bilder bei Schließung der Grenzen für Flüchtlinge
Die hässliche Lösung wäre die Schließung der Migrationswege durch nationale Grenzen. Das zeichnet sich in Ansätzen bereits ab, da die Transitländer in der Mitte der Balkanroute nicht mehr jeden durchlassen. Hässlich muss man diese Lösung schon allein deswegen nennen, weil sie unschöne Bilder produzieren würde: verärgerte und verzweifelte Menschen, die an Grenzübergängen mitten in Europa festhängen.
Außerdem würde sie genau das beschädigen, was in der anderen Lösung bewahrt bliebe: das Asylrecht der EU und die Reisefreiheit. An den Grenzen könnte eine Art Kettenreaktion stattfinden. Am Anfang würden wohl nur die Binnengrenzen auf der Balkanroute und womöglich die nach Italien geschlossen werden.
Das dürfte die Migranten dazu bewegen, auf andere Wege auszuweichen, was dann weitere Schließungen an anderen Übergängen nach sich ziehen würde. So könnten am Ende vielleicht nicht alle Binnengrenzen im Schengen-Raum, aber doch ein großer Teil davon, vor allem in der Süd-Nord-Richtung, über Jahre hinweg wieder kontrolliert werden - mit allen Folgen, die das auch für die EU-Bürger hätte.
Zu den Nachteilen dieser Lösung gehören auch ihre Auswirkungen auf die Ankunfts- und Transitländer. Vor allem in Griechenland, womöglich aber auch in Italien, würde es zunächst einmal zu einem großen Rückstau an Migranten kommen. Der fragile und von der Finanzkrise geschwächte griechische Staat würde damit wohl nur schwer zurechtkommen. Auch in den Balkanländern könnten Zehntausende hängenbleiben.
Die Bundeskanzlerin hat vor einiger Zeit argumentiert, dass das zu neuen Kriegen auf dem Balkan führen könnte. Das erscheint nicht sehr wahrscheinlich, weil ein militärisches Vorgehen gegen Nachbarn ja nichts am Flüchtlingsproblem ändern würde. Aber auch für die wirtschaftlich eher schwachen Balkanstaaten wäre die Beherbergung und Abschiebung großer Migrantengruppen sicher eine starke Belastung, die zu innenpolitischen Verwerfungen führen kann.
Ein Vorteil dieser Lösung wäre vermutlich, dass sie abschreckende Wirkung auf die Flüchtlinge hätte. Wenn die Reise in die gewünschten europäischen Zielländer mühsamer oder vollständig verbaut erscheint, werden sich viele gar nicht mehr auf den Weg machen. Die Schleuser würden natürlich neue Routen anbieten, etwa über Osteuropa, oder es vermehrt über die grüne Grenze versuchen. Das würde die Reise aber teurer, gefährlicher und damit unattraktiver machen. Ganz versiegen dürfte der Flüchtlingsstrom allerdings nie, das war auch in der Vergangenheit nicht der Fall.