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Flüchtlinge : Wer kommt da eigentlich zu uns?

Sehnsuchtsort Deutschland: Überwiegend syrische Flüchtlinge kommen am Wochenende am Hauptbahnhof in Passau an und werden von der Bundespolizei zur Registrierung geführt. Bild: dpa

Aus Syrien kommen nicht nur Ärzte, das stimmt. Aber die Syrer sind gebildeter als andere Flüchtlinge. Noch fehlen viele Daten über die Menschen, die in Deutschland Asyl suchen. Was es gibt, haben wir ausgewertet.

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          Um zu ermessen, was Deutschland in den nächsten Jahren an Integration zu leisten hat, muss man mehr über die Menschen wissen, die hier Asyl suchen. Woher kommen sie, was haben sie gelernt, wie werden sie sich verhalten? So viel steht fest: Die Herausforderung ist gewaltig. Eine Situation wie jetzt gab es noch nie. Allein im August kamen 105.000 Migranten nach Deutschland. Fast die Hälfte (45 Prozent) von ihnen waren Syrer. In der Statistik folgen Afghanen (11 Prozent), Iraker (9 Prozent), Albaner (8 Prozent), Pakistaner (5 Prozent) und Eritreer (3 Prozent). Die meisten von ihnen werden dauerhaft in Deutschland bleiben. Wer aus Bürgerkriegsgebieten geflohen ist, erhält mit hoher Wahrscheinlichkeit Asyl. Die Menschen vom Westbalkan hingegen nicht. Das hat sich inzwischen in diesen Ländern herumgesprochen. Zeitungsanzeigen der Bundesregierung halfen dabei. Anfang des Jahres waren noch mehr als 40 Prozent der Asylbewerber Kosovaren, nun tauchen sie in der Statistik kaum noch auf.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

          Die Statistik: Das ist ein eigenes Problem. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz Bamf, behandelt die Zahl der Flüchtlinge wie ein Staatsgeheimnis. Angaben macht die Behörde nur zu den Asylanträgen, die schon gestellt wurden. Deshalb gibt es eine Verzerrung. Daten aus diesem Jahr beziehen sich auf Leute, die schon länger im Land sind. Albaner und Kosovaren sind statistisch überzeichnet, Syrer, Afghanen und Iraker sind untergewichtet. Das muss man wissen, um die Daten richtig einzuordnen, die uns das Bamf für das erste Halbjahr 2015 genannt hat.

          Die Altersstruktur ist positiv

          Die Asylbewerber sind demnach deutlich jünger als die heimische Bevölkerung. Ein Viertel sind Kinder. Ein weiteres Viertel ist zwischen 16 und 25 Jahre alt, ein drittes Viertel zwischen 15 und 35 Jahren. Es kamen doppelt so viele Männer wie Frauen. Offenbar schicken Familien ihre belastbarsten und kräftigsten Mitglieder vor, nicht selten Jugendliche. Es hat sich bis an den Hindukusch herumgesprochen, dass Minderjährige aus Deutschland nicht abgeschoben werden.

          Bild: F.A.Z.

          Die Altersstruktur ist positiv: Viele Migranten sind im richtigen Alter, um sich hier eine Existenz aufzubauen. Sie werden sehr lange arbeiten, bevor sie das Rentenalter erreichen. Es wird es in den nächsten Jahren noch einen erheblichen Nachzug von Familienmitgliedern geben. Die Kinder dürfen ihre Eltern und minderjährigen Geschwister nachholen, Männer ihre Ehefrauen und Kinder – nicht aber die Großeltern. Es gibt Bedingungen: Wer Familienmitglieder nachholt, muss über ausreichend Wohnraum verfügen und für deren Lebensunterhalt aufkommen können; Nachziehende müssen Deutschkenntnisse vorweisen.

          Es kommen überwiegend Muslime: Das gilt für siebzig Prozent der Antragsteller im laufenden Jahr. 18 Prozent sind Christen (vor allem aus Syrien), fünf Prozent Yeziden (aus dem Nordirak). Es macht freilich einen großen Unterschied, ob ein Muslim aus Afghanistan oder aus Syrien kommt. Die Syrer sind in einer verhältnismäßig modernen Gesellschaft aufgewachsen, mit gleichen Rechten für Frauen und Männer. Dagegen verbergen Afghanen ihre Frauen vor den Blicken anderer Männer. Für diese Menschen dürfte der Kulturschock in Deutschland groß sein.

          Jeder vierte Syrer hat studiert

          Wer einen Asylantrag stellt, wird auch zu Bildung und Ausbildung befragt; diese Angaben sind freiwillig. Das Bamf hat für uns die Angaben von gut 100.000 Asylsuchenden aus dem laufenden Jahr ausgewertet. Das Ergebnis: 13 Prozent haben eine Hochschule besucht, 18 Prozent ein Gymnasium, 30 Prozent waren auf einer Mittelschule, 24 Prozent nur auf einer Grundschule; acht Prozent verfügen über gar keine Schulbildung. Knapp die Hälfte gab an, aus guten oder durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen zu stammen.

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          Syrer haben ein deutlich höheres Bildungsniveau. Hier gaben mehr als 60 Prozent an, dass sie aus durchschnittlichen oder sogar guten wirtschaftlichen Verhältnissen stammen. Ein Viertel hat studiert, ein weiteres Viertel war auf dem Gymnasium, ein Viertel auf der Mittelschule und 17 Prozent lediglich auf der Grundschule. Für andere Herkunftsländer gibt es solche Einzelauswertungen noch nicht.

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