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Wiens Flüchtlingspolitik : Österreich will Flüchtlinge auf Inseln internieren

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz Bild: dpa

Österreichs Außenminister Kurz schlägt vor, auf einer Mittelmeerinsel ein Auffangzentrum für Migranten einzurichten. Sowohl von links als auch von rechts setzt es dafür Schelte.

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          Eine Insel wie Lesbos als Auffangzentrum für Migranten, die nach Mitteleuropa wollen: Mit diesem an die Praxis der australischen Behörden angelehnten Konzept will der österreichische Außenminister Sebastian Kurz den Anreiz für eine illegale Einreise nach Europa nehmen. Europa solle auf diese Weise selbst die Zuwanderung steuern, statt sich Staaten wie der Türkei anzuvertrauen, was eine „gefährliche Abhängigkeit“ bedeute. Wer aus Seenot gerettet werde, solle im Idealfall gleich in sein Heimatland zurückgebracht werden, andernfalls in ein Asylzentrum am besten auf einer Insel, aber jedenfalls nicht gleich in das Zielland nach seinen Wünschen, sagte Kurz der Wiener Zeitung „Die Presse“.

          Stephan Löwenstein
          Politischer Korrespondent mit Sitz in Wien.

          „Unser System führt derzeit dazu, dass Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil sie sich Hoffnungen machen und auf diese gefährliche Reise begeben.“ Kurz forderte eine klare Festlegung durch die EU: „Wer illegal versucht, nach Europa durchzukommen, soll seinen Anspruch auf Asyl in Europa verwirken. Zweitens müssen wir sicherstellen, dass die Rettung aus Seenot nicht mit einem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist. Drittens müssen wir bedeutend mehr Hilfe vor Ort leisten und gleichzeitig die freiwillige Aufnahme der Ärmsten der Armen durch Resettlement-Programme forcieren.“ So könne die Einwanderung auf ein Maß begrenzt werden, das bewältigt werde könne.

          In Europa zu einer „vernünftigen Solidarität“ finden

          Kurz machte deutlich, dass die vorgesehene Internierung auf einer Insel nach seinen Vorstellungen auch einen abschreckenden Charakter haben soll. Er sagte: „Wer auf einer Insel wie Lesbos bleiben muss und keine Chance auf Asyl hat, wird eher bereit sein, freiwillig zurückzukehren, als jemand, der schon eine Wohnung in Wien oder Berlin bezogen hat.“ Er verwies dabei auf Australien, das Bootsflüchtlinge rigoros auf Inseln verbringt, allerdings außerhalb des eigenen Territoriums. Australien sei dennoch solidarisch, weil es jährlich Zehntausende Migranten freiwillig aufnehme. Die EU solle „Teile“ des australischen Systems zum Vorbild nehmen.

          Scharf wandte sich Kurz gegen den Vorschlag der EU-Kommission, Strafzahlungen über Mitgliedstaaten zu verhängen, die einer Aufteilungsquote für Flüchtlinge nicht nachkommen. „Wenn wir die Europäische Union zerschlagen und zerstören wollen, dann ist das ein sinnvoller Weg“, sagte der österreichische Außenminister. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte im entgegengesetzten Sinne vor eine Zerstörung Europas. Die drohe nämlich, wenn der Brenner-Pass zwischen Italien und Österreich „geschlossen“ werde. Österreich hat am Brenner eine Infrastruktur errichtet, um den Grenzübertritt zu kontrollieren. Wenn das ausgeführt werde, „dann ist Europa zerstört“, sagte Merkel am Freitagabend in Güstrow. Ziel müssen bleiben, in Europa zu einer „vernünftigen Solidarität“ zu finden.

          In Österreich traf der Politiker der christlich-demokratischen ÖVP mit seinem Insel-Vorstoß auf Widerspruch von links wie von rechts. Die Grünen unterstellten Kurz, das Recht auf Schutz abschaffen zu wollen, um innenpolitisch Punkte zu machen. Die FPÖ bezeichnete den Vorstoß Kurz’ als scheinheilig und unglaubwürdig, weil sich faktisch an der Willkommenspolitik der Regierung nichts geändert habe. Tatsächlich argumentiert Kurz in eine ähnliche Richtung wie jetzt schon seit Monaten. Die EU müsse ihre Grenzsicherung selbst in den Griff bekommen, sie müsse Asylanträge außerhalb ihrer Grenzen entgegennehmen und sie dürfe Rechtsstaatlichkeit nicht aus Furcht vor unschönen Bildern aufgeben, hat Kurz schon im Oktober 2015 der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt.

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