Ein Flüchtlingsarzt berichtet : Eine Schwangere sorgt sich, dass sie ihr Kind verloren hat
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Die Kleidung von Flüchtlingen hängt über einem Zaun der Flüchtlingseinrichtung in Erding, Bayern Bild: Reuters
In einem bewegenden Facebook-Beitrag berichtet ein junger Arzt aus einem Erstaufnahmelager, in welchem Zustand die Menschen bei ihm ankommen. Die Leitung der Einrichtung im bayerischen Erding hat die Authentizität des Eintrags bestätigt.
Dieser Facebook-Post bewegt Tausende: Ein Arzt aus einer Migranten-Unterkunft in Bayern schildert, wie er die ankommenden Menschen erlebt.
„Letzte Nacht hatten wir unter vielen, vielen anderen Einzelschicksalen eine junge Schwangere im Lager, die keine Kindsbewegungen mehr gespürt hat“, schreibt Raphaele Lindemann am Donnerstagabend auf Facebook. „Sie sorgte sich, dass durch das lange Treiben im Mittelmeer – nachdem der Schleuserkutter gekentert war – nun auch ihr letztes Kind gestorben sei. Ihre zwei anderen Kinder sind bereits auf der Flucht im Meer ertrunken weil sie keine Kraft mehr hatte.“ Ironisch fügt er an: „So eine Sozialschmarotzerin aber auch!“
Ein Sprecher der Flüchtlings-Erstunterkunft in Erding hat gegenüber FAZ.NET bestätigt, dass der Autor behandelnder Arzt in der Unterkunft sei und der Facebook-Beitrag mit der Lagerleitung abgesprochen sei. Lindemann sagt, er sei für die Erstversorgung der ankommenden Migranten zuständig – noch bevor die Menschen Kleiderspenden bekämen oder auch nur duschen könnten.
„Sicher wird es manchen erstaunen, dass es sich nicht zu 90 Prozent um junge, gesunde Männer handelt.“ Der Grund sei, dass in Deutschland in den vergangenen Tagen über die Einschränkung des Familiennachzugs diskutiert worden sei. „Ich sehe pro Schicht etwa 300-500 Flüchtlinge. Mindestens 40% davon sind Kinder“, schreibt Lindemann.
Inzwischen hat die Koalition in Berlin am Donnerstagabend beschlossen, den Familiennachzug nur für diejenigen Migranten einzuschränken, die nicht unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen – die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge können ihre Familie weiterhin nach den alten Regeln nachholen.
Mittlerweile ist Lindemanns Facebook-Beitrag von mehr als 140.000 Facebook-Mitgliedern an ihre Freunde weitergegeben worden. Der Arzt selbst hat so viele Reaktionen auf seinen Beitrag bekommen, dass er erst mal nicht mehr antwortet. „Es wird ein paar Tage dauern auf irgendwelche Anfragen, Anmerkungen, Komplimente, Fragen, Kritik und Hassmails adäquat zu antworten. Ich bitte dafür um Verständnis“, schrieb er am Samstag.
Liebe Leute,nach nun fast vier Wochen im Erstaufnahmelager, finde ich endlich mal die Zeit ein paar Zeilen zur...
Posted by Raphaele Lindemann on Donnerstag, 28. Januar 2016