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De Maizière in Nordafrika : Im Auftrag von König und Kanzlerin

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Plötzlich tauchten Berichte und Statistiken auf, die die hohe Kriminalität der – meistens männlichen – Migranten aus diesen Ländern schon für einige Jahre belegten. Die Angst der Deutschen vor den Flüchtlingen hatte ein Gesicht bekommen, und das war maghrebinisch – obwohl es bisher fast nur Tatverdächtige gibt, lediglich ein Prozess abgeschlossen ist. Ob und wie viele Marokkaner, Algerier und Tunesier wirklich Täter waren, wird sich erst noch zeigen müssen.

Dennoch wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel dieses Mal offenbar schnell reagieren. Wenige Wochen nach der Jahreswende telefonierte sie mit dem marokkanischen König Mohammed VI. Erzählt wird, Merkel habe den Monarchen gebeten, seine Landsleute zurückzunehmen, sofern sie keinen Aufenthaltstitel in Deutschland hätten. Erzählt wird auch, dass das Wort der Kanzlerin beim König Gewicht und dieser seine Kooperationsbereitschaft zugesagt habe. Kurzum: De Maizière wurde losgeschickt, im Auftrag von König und Kanzlerin. Kaum war er in Rabat angekommen, begannen seine Verhandlungen. Gleichzeitig verkündete die Kanzlerin im deutschen Fernsehen, dass sie von ihrer Linie in der Flüchtlingspolitik nicht abzuweichen gedenke.

Drei Länder in gut zwei Tagen

War es eine erfolgreiche Reise für den Bundesinnenminister? Jedenfalls eine mit vollem Programm, wie das bei solchen politischen Besuchen nun mal ist: drei Länder in gut zwei Tagen. Einmal, am Montagvormittag, blieb immerhin knapp eine halbe Stunde für die Besichtigung einer alten Grabstätte der marokkanischen Herrscher. Ruinen im Sonnenlicht. Auf den Mauern nistet eine große Storchenkolonie, etwa zwanzig Tiere sind zu beobachten. Wer noch nicht wusste, warum der Weißstorch auch Klapperstorch heißt, musste nur hinhören, wie die Tiere sich lautstark mit Hilfe ihrer Schnäbel verständigten.

Ein Teich mit Aalen wird dort gelegentlich von Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch aufgesucht, neben Münzen werden Eier ins Wasser geworfen als Symbol der Fruchtbarkeit. Auch in solchen kurzen Pausen bleibt einem Minister allerdings wenig Zeit für Entspannung. Eine erste Bilanz musste de Maizière in die Mikrofone sprechen, kaum dass Etappe Nummer eins hinter ihm lag. Er sei zufrieden mit den Ergebnissen der Gespräche in Marokko, sagte er. Um sich gleich darauf zu korrigieren: sehr zufrieden.

Am Ende der Drei-Länder-Tour, in Tunis, war die Stimmung de Maizières noch besser. Tunesien hatte für den CDU-Bundestagsabgeordneten, der er schließlich auch noch ist, besondere Bedeutung. Sein Wahlkreis liegt in Sachsen, und bis vor kurzem wurden sämtliche Asylsuchende aus Tunesien in das ostdeutsche Bundesland verteilt; erst seit neuerer Zeit nimmt auch Baden-Württemberg Migranten aus Tunesien auf.

Ein „Experte“ in Abschiebungsfragen

Sachsens Innenminister Markus Ulbig, der wegen einer wichtigen Sitzung im Landtag seine Teilnahme an der Maghreb-Reise kurzfristig abgesagt hatte, kämpft schon lange dafür, dass die tunesischen Behörden ihre Landsleute zurücknehmen, sofern ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Die Bereitschaft hätte – so war stets zu hören – bisher größer sein können.

Am Dienstagmittag nun sprach de Maizière mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Habib Essid über die Angelegenheit. Das war insofern ein Glücksfall, als Essid früher Innenminister war und sich in Abschiebungsfragen auskennt. Einen „Experten“ habe er getroffen, frohlockte de Maizière nach dem Treffen. Mit diesem traf er ähnliche Vereinbarungen wie mit seinen Gesprächspartnern in Rabat und Algier zur Verbesserung der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer.

Von den 1264 Ende Januar ausreisepflichtigen Tunesiern sind gerade einmal acht abgeschoben worden und nur zwei von ihnen in ihr Herkunftsland. In einem Pilotprojekt sollen nun zunächst 20 Tunesier abgeschoben werden, später soll es regelmäßige Rückführungen von höchstens 25 Personen auf einmal geben. Im Unterschied zu den Führungen in Marokko und Algerien hat die von Tunesien jedoch nicht auf Transport in Linienflugzeugen bestanden, sondern akzeptiert, dass Chartermaschinen benutzt werden. Eine Kleinigkeit. Daheim in Sachsen kann de Maizière sich aber doch ein wenig damit brüsten.

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