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Flüchtlinge : Die erste deutsche Zeitung auf Arabisch

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Ramy al Asheq ist der Chefredakteur der deutschen Flüchtlingszeitschrift „Abwab“. Bild: dpa

In Köln hat ein syrischer Schriftsteller eine Zeitung gegründet. Sie erscheint auf Arabisch und wendet sich an Flüchtlinge. Manche Artikel sind ins Deutsche übersetzt. Etwa zur Kölner Silvesternacht.

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          Die „Abwab“ ist eine Zeitung in arabischer Sprache. Aber sie wird nicht in Damaskus, Beirut oder Bagdad produziert, sondern in Köln. In der bayrischen Stadt Hof wird sie mit 45.000 Exemplaren gedruckt und von dort aus bundesweit kostenlos verteilt. Sie ist Deutschlands erste arabische Zeitung.

          Gelesen werden soll sie vor allem von Flüchtlingen aus den arabischsprachigen Ländern wie etwa Syrien, dem Irak, Tunesien oder Marokko. Sie richtet sich an die Neuankömmlinge, die noch nicht gut genug Deutsch können, um sich aus anderen Quellen zu informieren.

          Die Flüchtlingen „wissen nicht viel über das Land“

          In dem arabischen Vorwort zur ersten Ausgabe, die im Dezember erschienen ist, schreibt Chefredakteur Ramy al Asheq über die Flüchtlinge: Sie „kommen in das neue Land, von dem sie nicht viel wissen. Weder über die Kultur noch die Gesellschaft noch die Politik.“  Mit der neuen Zeitung will er ihnen eine Tür zum Leben in Deutschland öffnen. Daher auch der Name: „Abwab“ bedeutet „Türen.“ 

          So hat es al Asheq selbst erfahren: Als er in Deutschland ankam, lebte er bei einer deutsch-italienischen Familie, die ihn bei seinem Neuanfang hier unterstützte. Dafür wollte er sich bedanken, die Mutter aber antwortete: „Dank nicht mir, ich habe dir nur eine Tür geöffnet.“

          Auf der ersten Ausgabe wird die Bundeskanzlerin zu Syrien zitiert, auf der zweiten zeigt eine Karikatur,  wie die Berichterstattung über Köln die Flüchtlingsdebatte verändert: Ein Journalist sticht mit einem Füllfederhalter in ein Schlauchboot.
          Auf der ersten Ausgabe wird die Bundeskanzlerin zu Syrien zitiert, auf der zweiten zeigt eine Karikatur, wie die Berichterstattung über Köln die Flüchtlingsdebatte verändert: Ein Journalist sticht mit einem Füllfederhalter in ein Schlauchboot. : Bild: PDF-Screenshots

          Al Asheq ist 26 Jahre alt und ein syrisch-palästinensischer Schriftsteller. 2011 war in Syrien und Jordanien wegen seiner Schriften inhaftiert worden, wie das Online-Portal des arabischen Senders „Al Jazeera“ berichtete. Über ein Autorenstipendium der Heinrich-Böll-Stiftung kam er nach Deutschland. Hier lebt er in Köln und hat er bereits für die Tageszeitung „taz" und das Magazin „Fluter“ geschrieben. Seit Dezember schreibt er nun in seiner eigenen Zeitung.

          Auslandsnachrichten und „Zehn Schritte zur Integration“

          Ein Teil der Zeitung „Abwab“, von der es bisher zwei Ausgaben gibt und die zukünftig monatlich erscheinen soll, widmet sich Nachrichten, die die Herkunftsländer betreffen: Etwa der Ankündigung des kurdischen Präsidenten Barzani, in einem Referendum über die Loslösung vom Irak abzustimmen, oder dem Einsatz der deutschen Aufklärungstornados im Kampf gegen den „IS“. Neben den Autoren, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, gibt es auch solche, die aus Syrien und dem Irak berichten. Etwa in einem Portrait des ältesten Bücherverkäufer in Aleppo.

          Der größere Teil der „Abwab“ beschäftigt sich mit Deutschland: Allein Bundeskanzlerin Merkel ist auf den 20 Seiten der ersten Ausgabe vier Mal abgebildet. Sie wird zitiert mit ihren Aussagen zu Syrien („Das Ziel ist eine Lösung ohne Assad“) und zur Flüchtlingskrise („Deutschland wird seine Grenzen nicht schließen“). Auch über de Maizière und den Flüchtlingsausweis wird berichtet und über die Diskussionen zur historischen Ausgabe von „Mein Kampf“.

          Ein Autor fordert: „Lerne die Sprache Deines Gastlandes!“

          Daneben stehen Berichte über Aktivitäten von Flüchtlingen (Orchester gegründet, erste syrische Karikaturenausstellung in Deutschland) und Texte, die Deutschlands Werte und die Verhaltensweisen seiner Bewohner erklären. Etwa ein Essay zum ersten Artikel des Grundgesetztes und eine praktische Anleitung mit dem Titel „Zehn Schritte zur Integration.“

          Dort heißt es etwa: „Beginne bei nächster Gelegenheit damit, die Sprache deines Gastlandes zu lernen. Denn die Sprache ist das größte Hindernis auf dem Weg, die Gesellschaft zu verstehen, zum Studieren und, um Arbeit zu erhalten.“ Wichtig sei auch, schreibt der Autor, dass man immer versuchen soll „Informationen aus den Originalquellen zu bekommen.“ Damit spricht er das Problem an, dass viele Flüchtlinge sich oft nur über weitergereichte Nachrichten in den sozialen Medien auf den Laufenden halten.

          In der zweiten Ausgabe wird auch über Silvester in Köln diskutiert

          Auch über Themen wie die Silvesternacht in Köln wird diskutiert: Eine Karikatur auf der Titelseite der zweiten Ausgabe kritisiert, dass die Berichterstattung darüber, Stimmungen gegen die Flüchtlinge erzeugt. In einem großen Artikel schreibt dann eine syrische Autorin über die „orientalische Belästigungskultur“. In dem Text, der neben einem weiteren auch in deutscher Übersetzung abgedruckt ist, schreibt sie gegen die Verharmlosung der Belästigungen an und beklagt, dass es in vielen Ländern – anders als Deutschland – das Gesetz die Frauen nicht davor schützt.

          Dass Flüchtlinge nun auf diese Weise in ihrer Sprache über solche Themen streiten können, ist nicht nur Al Asheqs Engagement und dem seiner Autoren zu verdanken, sondern auch der Medienfirma nhd Consulting aus Offenbach, die als Investor hinter dem Projekt steht.

          Sie hat sich auf „Ethnomarketing“ spezialisiert und verdient Geld mit Gratiszeitungen, die auf einen sehr speziellen Anzeigenmarkt zugeschnitten sind. Etwa Mobilfunkanbieter, die sich auf den Kontakt ins Ausland spezialisiert haben. Unter anderem gibt sie seit 15 Jahren eine russischsprachige Zeitung und die größte rumänischsprachige Zeitung Deutschlands heraus. Nun hat sie in der arabischen Gemeinde einen lohnenden Markt entdeckt.

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