Fall Sami A. : Der Kampf um den Rechtsstaat
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Vertrackter Fall Sami A.: Tunesier demonstrieren Ende 2016 in Tunis gegen die Rückkehr von Dschihadisten ins Land. Bild: Getty
Wer gedacht hat, dass die Düsseldorfer Landesregierung nach der Entscheidung des OVG Münster im Fall Sami A. klein beigibt, wurde am Donnerstag eines Besseren belehrt.
Eigentlich hatte sich Joachim Stamp (FDP) schon am 20. Juli ganz genau vorgenommen, was er sagt, wenn im Fall Sami A. das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht entschieden haben würde. Am 13. Juli war der islamistische Gefährder Sami A. in einer spektakulären Nacht-und-Nebel-Aktion nach Tunesien abgeschoben worden. Jahrelang hatten die Sicherheitsbehörden vergeblich versucht, den Dschihadisten loszuwerden, der früher auch einmal zur Leibgarde von Usama Bin Ladin gehört haben soll. Nun glaubte der nordrhein-westfälische Integrationsminister Stamp das Problem gelöst zu haben. Völlig unverständlich war für den Minister deshalb, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sein Vorgehen schon kurz nach der Abschiebung in einem Beschluss als „grob rechtswidrig“ bezeichnete. Zudem ordnete das Gericht an, der Tunesier müsse nach Deutschland zurückgeholt werden. Stamp äußerte trotzig, alles sei nach Recht und Gesetz abgelaufen. Er setzte darauf, in der nächsten Instanz recht zu bekommen: Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) werde er respektieren – „ganz unabhängig von ihrem Ausgang“, versprach er am 20. Juli im Integrations- und Rechtsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags.
Doch als das OVG am Mittwoch noch deutlichere Worte fand als das Gelsenkirchener Gericht, die Abschiebung als „evident rechtswidrig“ bezeichnete und zudem dem Integrationsministerium vorwarf, das Gericht in die Irre geführt, ihm den Abschiebetermin gezielt verheimlicht zu haben, gab Stamp zunächst keine Stellungnahme ab. Stattdessen ließ er sein Haus eine seltsame Mitteilung verbreiten. „Das Gericht lässt uns ratlos zurück“, heißt es darin. „Die Entscheidung haben wir zur Kenntnis genommen, werten sie in der gebotenen Sorgfalt aus und prüfen, welche Schlussfolgerungen daraus auch für künftige Fälle abgeleitet werden müssen.“
Am Donnerstag verzichteten auch andere Mitglieder der schwarz-gelben Landesregierung in Düsseldorf zunächst auf in einem Rechtsstaat eigentlich gebotene Selbstverständlichkeiten wie Äußerungen, dass man die Entscheidungen des Gerichts respektiere. Stattdessen holte Innenminister Herbert Reul (CDU) noch einmal zur Justizschelte aus. Zwar sei die Unabhängigkeit von Gerichten ein hohes Gut. „Aber Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“ Er bezweifele, dass dies hier der Fall sei, sagte Reul. SPD und Grüne kritisierten das sogleich scharf. Reul habe offensichtlich ein „gestörtes Verhältnis zur Justiz und zum Rechtsstaat“, sagte Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD). Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Monika Düker, forderte, auch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) müsse Stellung beziehen. „Er ist jetzt mehr denn je in der Pflicht, seine Minister Stamp und Reul in die Schranken zu weisen.“ Laschet tat jedoch das Gegenteil: Er stärkte Stamp den Rücken. Nach seiner Auffassung habe der Integrationsminister nach „Recht und Gesetz“ gehandelt.