Fall Marco W. : Vorläufig frei
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Marco W. kann zwar nach Deutschland reisen, doch der Prozess gegen ihn ist nicht zu Ende. Die acht Monate währende Untersuchungshaft und die siebenmalige Vertagung wurden mehr und mehr als Skandal empfunden. Warum hat alles so lange gedauert?
Nun wird Marco W. das Weihnachtsfest doch nicht in Untersuchungshaft verbringen müssen. Der Optimismus, den die Verteidigung in letzter Zeit immer wieder in die Öffentlichkeit trug, hat sich diesmal bewahrheitet. Zwar ist die Sache noch nicht entschieden; der Prozess solle fortgesetzt werden, heißt es auch Antalya. Doch dass der siebzehn Jahre alte Angeklagte fürs erste die Haftanstalt verlassen kann, ist ein positives Zeichen.
Noch ist unklar, was den Ausschlag für diese Entscheidung im „Gerechtigkeits-Palast“ der südtürkischen Touristenstadt gegeben hat; doch war es mehr und mehr als Skandal empfunden worden, dass sich die Untersuchungshaft überhaupt so lange hinzog. Die siebenmalige Vertagung, in einem fremden Land und unter fremden Umständen, kann nicht anders als eine bestimmte Form von Psychoterror bezeichnet werden, vor allem, wenn man das jugendliche Alter von Marco W. bedenkt. Auch eine reifere Persönlichkeit hätte da Schwierigkeiten, solche Umstände einfach „wegzustecken“.
Wieso hat das alles so lange gedauert?
Als fragwürdig muss auch empfunden werden, dass es viele Wochen dauerte, bis dem Gericht endlich eine gültige, rechtlich verbindliche Übersetzung der Aussagen des englischen Mädchens vorlag, an dem sich der jugendliche Angeklagte vergangen haben soll. Wieso hat das alles so lange gedauert? Möglicherweise hat doch geholfen, dass die Anwälte des Angeklagten den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet haben.
Als wenig hilfreich hatten sich die zu Beginn des Prozesses sichtbaren Bemühungen von Politikern erwiesen, in der Angelegenheit „Druck“ auf die Türkei zu machen, gar die EU-Perspektive damit zu verknüpfen. Das brachte die türkische Justiz eher dazu, ihre Unabhängigkeit und Unbeeinflussbarkeit vorzuführen, indem man bewusst mit langsamen Schritten voranging.
Man kann jetzt nur hoffen, dass sich das Vorgehen beschleunigen werde, wenn der Prozess fortgesetzt wird. Und man kann auch nur hoffen, dass sich das Gericht endlich gründlicher darauf einlassen wird, herauszufinden, was an jenem Tag wirklich geschah. Die von der Familie der Minderjährigen angewandte Taktik hat zur Klarheit der Situation überhaupt nicht beigetragen, sondern hier und da den Verdacht verstärkt, es sei eigentlich weniger geschehen als behauptet.