https://www.faz.net/aktuell/politik/ezb-urteil-eu-stellt-verfahren-gegen-deutschland-ein-17663772.html

Vorrang von EU-Recht : EU stellt Verfahren gegen Deutschland ein

Sitz der EU-Kommission in Brüssel: das Berlaymont-Gebäude Bild: EPA

Mit seinem EZB-Urteil über die Anleihekäufe hatte sich das Bundesverfassungsgericht im Mai 2020 erstmals gegen den EuGH gestellt. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland folgte. Nun ist der Streit beigelegt.

          1 Min.

          Der Konflikt zwischen der EU und Deutschland über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleiheaufkäufen der Europäischen Zentralbank (EZB) ist beigelegt. Die EU-Kommission stellte ihr im Juni eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland am Donnerstag ein. Sie begründete dies damit, dass die Bundesregierung in einer Erklärung vom August den „Vorrang und die Autonomie“ des europäischen Rechts anerkannt habe. Deutschland habe außerdem zugesagt, die Autorität des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzuerkennen, dessen Urteile endgültig und verbindlich seien. Berlin habe sich auch verpflichtet, alle zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um weitere „Ultra-vires“-Entscheidungen zu vermeiden.

          Marlene Grunert
          Redakteurin in der Politik.
          Werner Mussler
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Hintergrund ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit seinem EZB-Urteil erstmals gegen den EuGH gestellt hatte, wodurch die Kommission den Vorrang des Unionsrechts gefährdet sah. Der EuGH hatte das Anleihekaufprogramm zuvor für rechtmäßig erklärt. Doch weder dessen Einschätzung noch die Erwägungen der EZB überzeugten die deutschen Verfassungsrichter, die daraufhin die über Jahre hinweg entwickelte Ultra-vires-Kontrolle zur Anwendung brachten. Sie greift aus Karlsruher Sicht, wenn eine europäische Institution die Ermächtigungen überschreitet, die ihr von den Mitgliedstaaten übertragen wurden. Sowohl das Anleihekaufprogramm als auch die Entscheidung des EuGH stuften die Karlsruher Richter als einen solchen „ausbrechenden Rechtsakt“ ein. Die Zentralbank habe ihr geldpolitisches Mandat überspannt und die Haushaltskontrollrechte des deutschen Parlaments ausgehöhlt, so die Verfassungsrichter. Sie forderten eine Begründung, die auch eine gerichtliche Überprüfung der Verhältnismäßigkeit möglich mache. Die Zentralbank erläuterte dem Bundestag ihr Programm daraufhin ausführlicher. Das deutsche Parlament billigte es, und das Bundesverfassungsgericht war zufrieden.

          Ein Jahr später leitete die Kommission dennoch ein Vertragsverletzungsverfahren ein. In ihrer Stellungnahme vom August verwies die Bundesregierung darauf, dass das Verfassungsgericht die EZB-Erläuterungen im Bundestag und deren dortige Billigung akzeptiert habe. Außerdem sei die Karlsruher Rechtsprechung seit Langem europarechtsfreundlich.  

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Recep Tayyip Erdogan bei einer Rede vor Abgeordneten seiner Partei AKP im türkischen Parlament in der vergangenen Woche

          Brief aus Istanbul : Erdoğans neue Freunde von der Hizbullah

          Um seine Macht zu erhalten, sucht der türkische Staatspräsident die Nähe ehemaliger Terroristen: Die HÜDA-PAR ist der politische Arm der Terrororganisation Hizbullah, die in der Türkei brutale Morde verübte.
          Ein Telekom-Mitarbeiter repariert ein Mobiltelefon an einer Handy-Reparatur-Station in Frankfurt.

          Neues EU-Gesetz : Recht auf Reparatur

          Wenn Elektro- oder Haushaltsprodukte kaputtgehen, landen sie heutzutage meist im Müll. Das soll sich nun ändern. Die EU-Kommission will die Hersteller zwingen, mehr Geräte zu reparieren.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.