Europawahl in den Niederlanden : Ohne Hitler geht es nicht
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Baudet ist „verrückt“ nach Frauen
Der von Baudet als seelenloser, biegsamer Nachläufer ohne „moralischen Kompass“ geschmähte Regierungschef jedenfalls hatte die Gelegenheit gehabt, eine menschliche Seite zu zeigen. Er revanchierte sich mit der Frage, wie Baudet zu seinem Frauenbild komme. Immer wieder hatte der Rechtsnationalist öffentlich bekundet, dass ein „Nein“ von Frauen bei sexuellen Avancen nicht ernst zu nehmen sei; in Wirklichkeit wollten Frauen „beherrscht, ja übermannt“ werden.
Erst in dieser Woche erschien in einer amerikanischen Zeitschrift ein langer Essay von Baudet, in dem er Romane von Michel Houellebecq rezensiert. Darin beklagt Baudet im Sinne seines französischen Idols eine Individualisierung der Gesellschaft, die ein (nationales) Gemeinschaftsgefühl zerstört habe – und sich in Phänomenen wie arbeitenden Frauen, dem Recht auf Abtreibung und der niederländischen Sterbehilfepraxis zeige.
Seit Baudet diese Woche auf Twitter auf seinen Text hinwies, gibt er sich völlig verblüfft darüber, dass „eine Buchrezension“ im Wahlkampf als Kritik an der Frauenemanzipation oder den Gesetzen zu Abtreibung und Sterbehilfe verstanden werde. Habe er nicht vielmehr Lob für seine intellektuelle Tiefe verdient? Doch im Duell gegen Rutte lief seine Entgeisterung über die angeblich gespielte „moralische Entrüstung“ ins Leere. Auf Ruttes Frage, woher seine Haltung zu Frauen rühre, hatte Baudet jedenfalls wenig mehr anzubieten als ein Bekenntnis: „Ich bin verrückt nach Frauen.“
Ein Streit zweier rechter Politiker
Hart attackierte Rutte Baudet für seine „Kuschelhaltung“ gegenüber Russland. Doch der Nationalist blieb bei seinen Zweifeln an dem Untersuchungsbericht zu dem Malaysian-Airlines-Flugzeug, das 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur über der Ukraine von einer russischen Flugabwehrrakete abgeschossen wurde. Baudet bekräftigte, dass die Untersuchung schon deshalb nicht ernstzunehmen sei, weil die Ukraine daran beteiligt gewesen sei, „einer der möglichen Täter“.
Das hatte er auch in einem Brief an den amerikanischen Präsidenten Trump geschrieben, von dem Baudet sich am Mittwoch nicht distanzieren wollte. Vielmehr bekräftigte er, dass „Leute wie Napoleon, Hitler und (der frühere belgische EU-Ratsvorsitzende) Van Rompuy“ eine Russland-Obsession hätten: Sie gaukelten eine Bedrohung vor, um ihre europäische „Machtgeilheit“ zu rechtfertigen. Logisch, dass Baudet auch die Sanktionen ablehnte. Ruttes Fazit: „Du bist echt ein Russland-Fan.“
Nicht erst als die beiden Politiker darüber stritten, ob man illegale Einwanderer an der niederländisch-deutschen Grenze „bei Venlo“ abzuwehren hätte (Baudet) oder lieber viel mehr für den Schutz der EU-Außengrenzen tun müsse (Rutte), wurde offensichtlich, dass hier zwei rechte Politiker miteinander stritten. Rutte hatte einst selbst im Wahlkampf auf Euroskepsis gesetzt. Er bezeichnet sich inzwischen zwar als „bekehrten“ Anhänger der EU, gab aber immer noch zu, dass beispielsweise Griechenland und Italien „nie dem Euro hätten beitreten dürfen“.
Der „Nexit“ war das letzte Thema. Ein ums andere Mal hielt Rutte dem Umfragekönig Baudet vor, das „wahnsinnige Risiko“ eines EU-Austritts zu verschweigen. Baudet versuchte zunächst, seine Position abzumildern – schließlich hält nicht einmal sein Europa-Spitzenkandidat Derk-Jan Eppink etwas davon, den Briten an dieser Stelle nachzueifern. Dem „Forum“ gehe es um eine Reihe von Volksabstimmungen, etwa über die offenen Grenzen oder die gemeinsame Währung. So könnten sich die Niederländer dann ein „Europa à la carte“ aussuchen. Baudet gab aber dann doch zu, dass er selbst einen niederländischen EU-Austritt anstrebt.
Ruttes Wirtschafts-Warnungen erklärte Baudet abwechselnd für falsch oder kleinmütig. Wenn das Land in der EU bleibe, dann „werden wir bis zum Ende aller Tage die Last von Südeuropa auf unseren Schultern tragen“. Denn der Versuch, diese EU-Staaten fiskalpolitisch auf vernünftigen Kurs zu bringen, sei zum Scheitern verurteilt. Schließlich sei schon im Zweiten Weltkrieg vergeblich versucht worden, „aus ganz Europa Deutsche zu machen“. Das von Rutte angeführte „Brexit-Chaos“ zeigt für Baudet nur eins: wie sehr die europäischen Nationen vom „tiefen Staat“ kontrolliert würden. Da buhte die von Rutte eingeladene Hälfte des Publikums ausnahmsweise so lebhaft wie sonst nur Baudets Publikum. Doch in den sozialen Netzwerken wurde Baudet gefeiert: als „Anführer der stärksten Partei der Niederlande“, der dem Ministerpräsidenten Paroli bot.