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AfD zieht ins EU-Parlament ein : Euro-Skeptiker feiern „phänomenales“ Ergebnis

Parteivorsitzender Bernd Lucke der Partei Alternative für Deutschland Bild: Pilar, Daniel

Schon vor Schließung der Wahllokale gab sich Bernd Lucke siegesbewusst: „Wir sind eine aufstrebende Kraft und keine Klientelpartei.“ Durch das Wahlergebnis sieht sich der AfD-Vorsitzende bestätigt. Mit Kräften wie dem Front National will er keine gemeinsame Sache machen, das könnte noch Streit geben.

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          Das Ergebnis der Europawahl wusste Bernd Lucke schon am Freitag zu deuten. Mit dem Nimbus einer Prophezeiung versendete die AfD-Bundesgeschäftsstelle um 16 Uhr im Namen des Parteivorsitzenden eine E-Mail an alle Vorsitzenden von Landes- und Bezirksverbänden. Das als „Vermerk“ gekennzeichnete DIN-A4-Blatt, das dieser Zeitung vorliegt, war eine „kurze mit Bernd Lucke abgestimmte Handreichung“, ein „Sprechzettel“ – mit Vorgaben, wie die Parteifunktionäre am Wahlabend auf Fragen der Presse reagieren sollten.

          Justus Bender
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          Vor dem Hintergrund der Anfeindungen und Plakatzerstörungen im Wahlkampf sei das Ergebnis der Europawahl „phänomenal“, heißt es dort – 50 Stunden vor Schließung der Wahllokale. Der Ausgang der Wahl zeige auch, dass sich die AfD „als politische Kraft etabliert hat“. Für die „anderen Parteien“ hatte die Europawahl hingegen einen düsteren Ausgang genommen, war sich die Parteiführung im Vorhinein sicher. Diese hätten „an Bedeutung verloren, sie haben in dieser Wahl versagt, sie sind verbraucht und wurden von den Bürgern abgestraft“.

          „Keine Klientelpartei“

          Für die Bewertung des Wahlergebnisses gab die Parteiführung schon am Freitag eine klare Parole aus: Messlatte sei das Ergebnis der Bundestagswahl mit knapp unter fünf Prozent. „Alles was darunter liegt, ist als Enttäuschung zu werten, alles was darüber liegt, ist ein Gewinn“, heißt es in der „Handreichung“. Das Wahlergebnis zeige auch, „dass wir eine aufstrebende Kraft und keine Klientelpartei“ seien. In den „nächsten Monaten und Jahren“ werde man „zu den Volksparteien aufschließen“. So weit die Vorstellungen der Parteiführung am Freitagnachmittag. Der Grad an Folgsamkeit gegenüber der Parteiführung war im Verlaufe des Wahlabends daran ablesbar, wie wortgenau sich einzelne AfD-Politiker an Luckes rhetorische Vorgaben hielten. Es ist die Europakandidatin Beatrix von Storch, die zum Beispiel vor Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen einigen Journalisten in den Block diktiert, dass alles, was über 4,7 Prozent sei, als „klares Signal“ gewertet werden müsse, dass die AfD in der deutschen Parteienlandschaft nun fest verankert sei.

          Jenseits von seherischen Fähigkeiten offenbart das Dokument das Selbstbewusstsein, mit dem die AfD in diese Europawahl gegangen ist. Während andere Parteien erste Hochrechnungen von sechs bis sieben Prozent zum Anlass nehmen, über eine Existenzgrundlage zu sprechen, träumt die AfD schon von einer Zukunft als Volkspartei.

          Das Balkendiagramm löst Jubel aus

          Als dann am Sonntag um 18 Uhr die Balkendiagramme der ersten Hochrechnungen auf den Bildschirmen in die Höhe wachsen, bricht Jubel auf der Berliner Wahlparty der AfD aus. Nicht, weil die Parteifunktionäre das Ergebnis ihrer Partei schon kennen. Sondern weil zu diesem Zeitpunkt das Balkendiagramm der FDP bei drei Prozent stehen bleibt. Die Schadenfreude wiederholt sich, als später das Gesicht des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner auf einem der Bildschirme erscheint. Dass sich die Parteimitglieder – trotz aller gegenteiligen Beteuerungen – vor allem als Konkurrenten der FDP sehen, zeigt sich in den Buh-Rufen gegen Lindner.

          Als dann das Balkendiagramm der AfD – zunächst – bei 6,5 Prozent stehen bleibt, gibt es Applaus. Es bleibt aber bei einer nüchternen Reaktion. Von einem „Sensationsabend“, von dem der Berliner Landesvorsitzende Günter Brinker noch um 17.30 Uhr sprach, redet niemand mehr. „Wir hatten mit einem ähnlichen Wahlergebnis gerechnet. Wären es mehr als sieben Prozent gewesen, hätten die Menschen wahrscheinlich auf den Tischen getanzt“, sagt Bundesvorstandsmitglied Alexander Gauland.

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