Appell zur Wahl : Europa ist die glücklichste Idee, die wir je hatten
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Für Europa auf die Straße: die Bürgerinitiative Pulse of Europe im Februar 2019 in Frankfurt Bild: Carlos Bafile
In einem gemeinsamen Appell in der F.A.Z. fordern die Präsidenten von 21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Europawahl im Mai 2019 auf. Sie setzen sich für „eine starke, handlungsfähige EU mit gemeinsamen Institutionen“ ein.
Mit der europäischen Einigung hat sich eine jahrhundertelange Hoffnung auf Frieden in Europa erfüllt, nachdem ein entfesselter Nationalismus und andere extreme Ideologien Europa in die Barbarei zweier Weltkriege geführt haben. Dieser Frieden, unsere Freiheit und der darauf basierende Wohlstand sind bis heute nicht selbstverständlich. Die große Idee eines friedlichen und geeinten Europas muss von uns allen immer wieder neu erstritten werden.
Die Europawahl 2019 hat daher eine besondere Bedeutung. Es sind Sie, die Bürgerinnen und Bürger Europas, die darüber bestimmen, in welche Richtung sich unser gemeinsames Europa entwickeln soll. Wir, die Staatsoberhäupter von Bulgarien, der Tschechischen Republik, Deutschland, Estland, Irland, Griechenland, Frankreich, Kroatien, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, der Slowakei und Finnland, rufen daher alle wahlberechtigten europäischen Bürgerinnen und Bürger dazu auf, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai 2019 ihre Stimme abzugeben.
Die Völker Europas haben sich aus freiem Willen in der Europäischen Union zusammengeschlossen. Sie gründet auf einem freien, gleichberechtigten, solidarischen, demokratischen, gerechten und loyalen Miteinander, wie es in der europäischen Geschichte ohne Beispiel ist. In der Europäischen Union entscheiden die gewählten Abgeordneten des Europäischen Parlaments gemeinsam mit dem Rat der EU, also den Regierungen aller Mitgliedstaaten, welche Regeln in Europa gelten sollen und wofür europäisches Geld ausgegeben wird.
Europa ist unser aller Heimat.
Europa ist für viele, insbesondere junge Menschen längst zu einer zweiten Heimat geworden. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, ihr Dorf, ihre Stadt, ihre Region, ihr Vaterland zu lieben und überzeugte Europäer zu sein.
Unser Europa kann Herausforderungen gemeinsam lösen.
In diesen Monaten steht die Europäische Union mehr als je zuvor vor tiefgreifenden Herausforderungen: Erstmals seit Beginn der europäischen Integration wird diskutiert, einzelne oder mehrere Integrationsschritte wie die Freizügigkeit rückgängig zu machen oder gemeinsame Institutionen abzuschaffen. Zum ersten Mal hat ein Mitgliedstaat die Absicht, die Union zu verlassen. Dem gegenüber stehen diejenigen, die für mehr Integration innerhalb der EU beziehungsweise des Euroraums oder ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten plädieren.
Zu diesen Fragen bestehen unter den europäischen Bürgerinnen und Bürgern, den Regierungen der Mitgliedstaaten und auch unter uns Staatsoberhäuptern unterschiedliche Ansichten. Einig sind wir uns jedoch darin: Die europäische Integration und Einheit ist unverzichtbar, und wir wollen Europa als Union fortsetzen. Nur eine starke Gemeinschaft wird sich den globalen Herausforderungen unserer Zeit stellen können: Die Folgen von Terrorismus, Klimawandel, wirtschaftlicher Globalisierung und Migration machen nicht an nationalen Grenzen halt. Wir werden diese Aufgaben und die Fortsetzung der Entwicklung hin zur wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion nur gemeinsam, in gleichberechtigter, institutionalisierter Zusammenarbeit bewältigen.
Wir wollen eine starke, handlungsfähige EU.
Wir brauchen daher eine starke, handlungsfähige EU mit gemeinsamen Institutionen. Eine EU, die sich immer wieder auch einer kritischen Überprüfung ihrer Aufgaben stellt und zur Reform fähig ist. Eine EU, die auf ihren Mitgliedstaaten als einem unverzichtbaren Fundament aufbaut.
Dieses Europa braucht den politischen Streit um den besten Weg ausgehend von der Erklärung von Rom vom 25. März 2017. Europa hält dabei auch sehr unterschiedliche Meinungen und Konzepte aus. Doch ein Zurück zu einem Europa, in dem die Staaten nicht mehr gleichberechtigte Partner, sondern Gegner sind, darf es nicht geben.
Unser Europa braucht unsere Stimme.
Ein geeintes Europa braucht unser aller Stimme. Deshalb: Gehen wir zur Wahl! Es geht um unser Europa und unsere Zukunft.
Rumen Radev, Präsident der Republik Bulgarien
Miloš Zeman, Präsident der Tschechischen Republik
Frank-Walter Steinmeier, Präsident der Bundesrepublik Deutschland
Kersti Kaljulaid, Präsidentin der Republik Estland
Michael D. Higgins, Präsident der Republik Irland
Prokopios Pavlopoulos, Präsident der Hellenischen Republik
Emmanuel Macron, Präsident der Französischen Republik
Kolinda Grabar-Kitarović, Präsidentin der Republik Kroatien
Sergio Mattarella, Präsident der Italienischen Republik
Nicos Anastasiades, Präsident der Republik Zypern
Raimonds Vejonis, Präsident der Republik Lettland
Dalia Grybauskaite, Präsidentin der Republik Litauen
János Áder, Präsident der Republik Ungarn
George Vella, Präsident der Republik Malta
Alexander Van der Bellen, Präsident der Republik Österreich
Andrzej Duda, Präsident der Republik Polen
Marcelo Rebelo de Sousa, Präsident der Portugiesischen Republik
Klaus Johannis, Präsident Rumäniens
Borut Pahor, Präsident der Republik Slowenien
Andrej Kiska, Präsident der Slowakischen Republik
Sauli Niinistö, Präsident der Republik Finnland
Initiative von Bundespräsident Steinmeier
Die Initiative für den gemeinsamen Appell der Präsidenten von 21 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ging Anfang des Jahres von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus. Es haben die Staatsoberhäupter aller EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet, abgesehen von den gekrönten Häuptern, die sich politischer Aussagen zu enthalten pflegen. Auch die Präsidenten der osteuropäischen Staaten, in denen es derzeit teilweise eine sehr kritische Haltung zur Europäischen Union gibt, haben sich beteiligt. Steinmeier bereitete seine Initiative vor allem in Gesprächen mit den Präsidenten von Österreich (Alexander van der Bellen), Italien (Sergio Matarella), Griechenland (Prokopios Pavlopoulos) und Finnland (Sauli Niinistö) vor. Gemeinsame Aufrufe solcher Art von Präsidenten sind ungewöhnlich.