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AfD : Auf dem Salzmarsch nach Brüssel

Der AfD-Kandidat Hans-Olaf Henkel während seiner Rede in Frankfurt; die junge Frau vor dem Pult war während der Demonstration gegen ihn verletzt worden Bild: Röth, Frank

Die Liste der Sabotageakte gegen AfD-Mitglieder und ihre Büros ist lang. Doch manche in der AfD können in den Anfeindungen durch Linksextreme auch einen Vorteil sehen.

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          Manchmal kann nur Mahatma Gandhi helfen, im Schlechten noch das Gute zu sehen. Das Schlechte sind am vergangenen Freitag die rund 250 Blockupy-Aktivisten, die den AfD-Europakandidaten Hans-Olaf Henkel in der Frankfurter Innenstadt mit Farbbeuteln und Eiern bewerfen. Als ein Wurfgeschoss – farbiger Staub in Zeitungspapier – den Kopf eines AfD-Mitglieds trifft, steht Henkel ungünstig in dessen Windschatten. Er verschwindet in einer Wolke aus rosarotem Pulver, sein Gesicht, seine Brille und sein Hemdkragen werden eingefärbt. Der Wind weht ihm Konfetti in die Haare. Am Hals hat Henkel einen roten Fleck, der ihm Schmerzen bereitet, jemand hat mit großer Wucht ein Ei nach ihm geworfen. Es schlug gegen seine Halsschlagader und zerbrach am Boden.

          Justus Bender
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          „Gandhi hat einmal gesagt: Wir kämpfen in vier Phasen“, brüllt Henkel in sein Mikrofon. Eine Gruppe von Antifa-Trommlern in Clownskostümen versucht ihn zu übertönen, doch Henkel holt tief Luft. „Die erste Phase ist: Man versucht uns zu ignorieren!“ Einige Vertreter der Komödiantenpartei „Die Partei“ sind gekommen, sie halten Schilder in die Höhe, auf denen „Heil Henkel!“ steht. „Die zweite Phase ist: Man versucht uns lächerlich zu machen!“ Ein Block von Antifa-Aktivisten schiebt sich in Richtung der Bühne, zwei Dutzend Bereitschaftspolizisten in Einsatzmontur drücken dagegen. „Die dritte Phase ist: Man bekämpft uns! In dieser Phase befinden wir uns gerade“, ruft Henkel und versucht lauter zu sein als der Sprechchor: „Nationalismus raus aus den Köpfen!“

          Nun setzen die Polizisten ihre Metallhelme auf, weil einige Linksextreme mit spitzen Regenschirmen hantieren. „Die vierte Phase ist, wie Gandhi sagte: Wir gewinnen!“, brüllt Henkel. Zwischen Trommelbässen und Trillerpfeifen ist leiser Applaus zu hören. Er kommt von einigen AfD-Anhängern, die das Handgemenge vor dem Wahlkampfstand aus sicherer Entfernung beobachten.

          Lange Liste von Sabotageakten

          Es ist kein gewöhnlicher Wahlkampf, den die AfD wenige Tage vor der Europawahl erlebt. Am vergangenen Freitag hatte die „Antifaschistische Aktion“ zu Protesten in ganz Deutschland aufgerufen, auch die Privatwohnungen von AfD-Politikern sollten belagert werden. Die Liste der Sabotageakte ist lang. Die Fensterscheiben von AfD-Büros wurden eingeschlagen, etwa im Kreisverband Dortmund oder in der Außenstelle Neunkirchen. In Wolfsburg wurden zwei Plakatierer der AfD mit Schlagringen angegriffen. In Braunschweig beschmierten Unbekannte mehrere AfD-Plakate mit Hundekot und Urin. Die Bundesgeschäftsstelle führt mittlerweile Excel-Tabellen in denen alle Vorfälle gesammelt werden. Manche Einträge lesen sich so: „Tatort: Volksdorfer Damm beginnend am Streekweg Richtung Volksdorf, an Laterne 23A und 24A je zwei Hakenkreuze, zirka 20 cm × 20 cm, mit Edding aufgebracht.“

          Bundesweit wurden nach Parteiangaben schon Plakate im Wert von rund 400.000 Euro zerstört. Wahrscheinlich von Antifa-Gruppen, sagen manche AfD-Mitglieder, wahrscheinlich von Mitgliedern der „Altparteien“ sagen andere. Zum Beispiel im Frankfurter Ratsweg. Dort hängte das AfD-Mitglied Peter Schmitt rund 40 Plakate auf. Er befestigte sie mit Kabelbindern an Straßenlaternen und schob sie mit einer Gartenharke auf vier Meter Höhe – wie unter Parteien üblich, die als umstritten gelten. Ein Auto hielt neben Schmitt. „Arschloch!“, rief der Fahrer. Schmitt, ein kräftiger Mann mit Rauschebart, nahm seine Gartenharke in die Hand und rief: „Komm doch raus!“ Da fuhr der Mann weiter. Wenige Tage später hingen von Schmitts 40 Plakaten noch zwei. Der Rest lag „im Grünen“, wie er sagt – und wurde von der Müllabfuhr eingesammelt.

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