Europarede in Heidelberg: Morawiecki warnt vor „Gleichschaltung“
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Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am 20. März bei seiner Europarede an der Universität Heidelberg Bild: Saskia Stöhr
Eine zentralisierte EU werde scheitern, warnt Polens Regierungschef Morawiecki in Heidelberg. Europa müsse sich auf andere Kräfte besinnen.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat in einer Grundsatzrede in Deutschland die Kraft der Nationalstaaten als unabdingbare Pfeiler der Europäischen Union beschworen. Bei seinem Auftritt in der Aula der Universität Heidelberg, den die Hochschule in eine Reihe mit den Europareden von Emmanuel Macron und Olaf Scholz stellte, sprach Morawiecki von einem „historischen Wendepunkt“ für Europa. Die Lage sei heute ernster als jene um 1989, als die kommunistischen Diktaturen großteils friedlich überwunden werden konnten. Der russische Präsident Wladimir Putin sei getrieben „von dem Wunsch, alle Unterschiede und nationalen Identitäten zu zerstören und sie in ein großes russisches Imperium einzuschmelzen“. Wer andere Nationen zerstören wolle, sagte Morawiecki mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine, „der ist ein Faschist, er verletzt Menschenrechte und Menschenwürde“.
Zugleich warnte der Regierungschef im Beisein des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) vor einer weiteren Zentralisierung der EU. Er höre oft Aufrufe zu Reformen der Gemeinschaft als Voraussetzung für ihre Erweiterung. „Das ist sehr oft ein getarnter Vorschlag zur Föderalisierung und de facto zur Zentralisierung.“ Morawiecki, der seit seinem Praktikum bei der Bundesbank und mehreren Studienaufenthalten Deutschland gut kennt, kritisierte das von der Bundesregierung vertretene Konzept, das Einstimmigkeitsprinzip in der EU stark einzuschränken: „Sollten Entscheidungen von der Mehrheit gegen die Interessen der Minderheit durchgeboxt werden?“ Mehr Zentralisierung bringe „mehr von den alten Fehlern. Es war ein Versagen, nicht auf jene Länder zu hören, die mit ihrer Meinung über Putin recht behalten haben“, sagte der Pole unter Anspielung auf die Putin-Kritiker im Osten der EU.
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