Cameron, Merkel und die AfD : Momente des Zerknirschtseins
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Gegner der AfD: David Cameron Bild: dpa
Die AfD wird im Europaparlament künftig eine Fraktion mit den Tories bilden. Der britische Premierminister Cameron ist darüber enttäuscht. Erst recht, weil seine Abgeordneten die Koalition erst möglich machten.
David Cameron äußerte sich enttäuscht, als er aus Brüssel hörte, dass die AfD künftig mit seiner Partei in einer Fraktion sitzen wird. Besonders unangenehm dürfte ihm sein, dass es drei bis fünf seiner konservativen Abgeordneten gewesen sind, die das knappe Ergebnis möglich gemacht haben. Mit 29 Stimmen – einer knappen Mehrheit – wählte die ECR-Fraktion am Donnerstag die deutschen Eurokritiker in ihre Reihen.
ECR-Sprecher John Furbisher will gleichwohl nicht, dass man von einer „Überstimmung Camerons“ spricht. Die meisten der 19 Tories hätten sich vor der Abstimmung – die erst in der Nacht zu Donnerstag zu einer geheimen Wahl erklärt wurde – klar gegen die AfD ausgesprochen. „Jetzt sind aber alle froh, dass wir zur drittstärksten Fraktion im Europaparlament geworden sind“, sagte er der F.A.Z..
In den vergangenen Wochen hatte Cameron die Abstimmung mehrfach hinausschieben lassen und seine konservativen Abgeordneten in Brüssel wiederholt aufgefordert, sich gegen eine Aufnahme der deutschen Eurokritiker auszusprechen. Mehrere Abgeordnete hatten offenen Widerstand angekündigt. Die Abgeordnete Julie Girling begründete dies mit der Unterstützung der deutschen Kanzlerin für Jean-Claude Juncker als künftigen Kommissionspräsident, mit der es „keinen Grund mehr gibt, die AfD nicht in die ECR aufzunehmen“.
Die Niederlage in Brüssel bringt den britischen Premierminister in eine unglückliche Lage. Dass sein Machtwort von einigen Tories missachtet wurde, dürfte ihm dabei noch das geringste Kopfzerbrechen bereiten; „dissenting votes“ in der eigenen Partei gehören zu Camerons schwierigem Alltag. In diesem Fall aber ist viel außenpolitisches Geschirr zerschlagen worden. „Das Verhältnis zu Angela Merkel ist nun zumindest verkompliziert“, sagt Mats Persson vom regierungsnahen Thinktank „Open Europe“.
Das könnte zunächst Camerons ohnehin erodierende Verhandlungsposition in der Personalie Juncker schwächen. Cameron soll zwar in den Gesprächen mit Merkel nie mit einer Aufnahme der AfD gedroht haben, doch war die offene Frage ein wirksames Druckmittel im Hintergrund. Cameron stand bei Merkel „im Wort“, sich gegen die Aufnahme zu stemmen. Umgekehrt verstand London die Kanzlerin lange Zeit so, als sei mit ihr eine Verhinderung Junckers als Kommissionspräsident möglich. Inzwischen sieht man auch in London, unter welchen innenpolitischen Druck Merkel in der Spitzenkandidatenfrage geraten ist. „Nun sind gleich beide Führer an der Aufgabe gescheitert, die Erwartungen zu erfüllen“, sagt Persson.
Der Rückschlag könnte aber weit über die Personalie Juncker hinausreichen. Persson spricht von einem „Geschenk für die, die Großbritannien aus der EU führen wollen“. Sollte das britisch-deutsche Verhältnis durch die AfD-Aufnahme einen Knacks bekommen, sehen die Konservativen ihre Hoffnungen schwinden, ihre EU-Reformagenda umzusetzen. Eine reformierte EU wiederum gilt als Voraussetzung dafür, dass die Briten bei einem Referendum für den Verbleib ihres Landes in der Union stimmen.