Vor dem EU-Gipfel : Moskau lieber nicht reizen
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Hart im Wind: Merkel nach der Ankunft in Brüssel Bild: dpa
Auf dem EU-Gipfel heute wird die Krim-Krise wieder viel Raum einnehmen. Scharfe Wirtschaftssanktionen gegen Russland sind nicht zu erwarten. Der EU-Russland-Gipfel aber wird wohl abgesagt.
Die EU hält wegen der Lage in der Ukraine eine Krisensitzung nach der anderen ab. Aber eines dürfte sich auch an diesem Donnerstagabend nicht ändern, wenn die Staats- und Regierungschefs zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen in Brüssel zusammenkommen: Scharfe Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden wohl nicht verhängt, keine EU-Regierung hat das bisher zu ihrer Position gemacht.
Am späten Nachmittag nehmen die 28 „Chefs“ unter Vorsitz von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ihre Sitzung auf. Da es sich um den turnusgemäßen Frühjahrsgipfel handelt, der eigentlich Wirtschaftsfragen vorbehalten ist, wird erst beim gemeinsamen Abendessen über die Ukraine geredet. Da sind die Staats- und Regierungschefs weitgehend unter sich, ohne großen Beratertross.
Schon in den Tagen vor dem Treffen hieß es aus Berlin unmissverständlich, dass man sich auf dem Gipfel allenfalls auf neue Maßnahmen nach der zweiten Stufe des EU-Sanktionsplans verständigen könne. Das wären weitere Einreiseverbote und Kontosperren für Entscheidungsträger in Russland oder auf der Krim.
Die EU hatte sich zu Beginn der Krise auf ein Vorgehen in drei Schritten geeinigt: Als erste Maßnahme wurden die Gespräche mit Russland über Visaerleichterungen und ein neues Rahmenabkommen ausgesetzt. Das geschah nach der ersten Einflussnahme Moskaus auf der Krim. Die zweite Stufe waren personalisierte Sanktionen, die nach dem Anschlussreferendum auf der Halbinsel gegen 21 Verantwortliche in Russland und auf der Krim verhängt wurden.
Erst die dritte Stufe wären Wirtschaftssanktionen. Die hat die EU aber ausdrücklich für russische Interventionen jenseits der Krim reserviert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in den vergangenen Tagen immer wieder betont, dass solche harten Maßnahmen, die auch die EU-Staaten selbst beeinträchtigen würden, nur in Betracht kämen, wenn Russland in der Ost- oder Südukraine interveniert.
Auch Zypern ist vorsichtig
Den Deutschen ist zu Beginn der Krise oft unterstellt worden, sie schreckten vor Wirtschaftssanktionen zurück, weil sie russische Gaslieferungen nach Deutschland nicht gefährden und das Russlandgeschäft der deutschen Industrie schützen wollten. Die Bundesregierung weist diesen Vorwurf inzwischen energisch zurück. Sie sagt, dass gerade viele osteuropäische Staaten, die öffentlich ein hartes Vorgehen verlangten, viel abhängiger von russischen Energielieferungen seien als Deutschland. Tatsächlich hat Ungarn schon verlangt, dass es im Fall von Wirtschaftssanktionen gegen Russland einen Ausgleich von den anderen EU-Staaten erhält. Auch Zypern ist bei diesem Thema vorsichtig, wenn auch aus anderen Gründen: Die finanziell schwer angeschlagene Insel will nicht ihre letzten russischen Investoren und Anleger verlieren.
Brüsseler Diplomaten hielten es für wahrscheinlich, dass in der Nacht zu Freitag weitere Maßnahmen nach Stufe zwei beschlossen werden. Bisher hatten diese Sanktionen sich nur gegen die zweite Reihe der Verantwortlichen gerichtet. Dass nun auch gegen die oberste Führung Russlands, insbesondere Präsident Wladimir Putin, Einreiseverbote und Kontosperren verhängt werden, wird in Brüssel aber nicht erwartet. Das würde die Gesprächsmöglichkeiten vollends beenden, hieß es. Noch besteht die Möglichkeit, dass Putin an einem Gipfeltreffen zur nuklearen Sicherheit teilnehmen wird, das zu Beginn nächster Woche in Den Haag stattfindet. Zu dem Treffen will neben vielen europäischen Regierungschefs auch der amerikanische Präsident Barack Obama kommen.
Spätere Termine stehen aber offenbar schon zur Disposition. Der französische Präsident François Hollande sagte, ein EU-Russland-Gipfel könne nicht stattfinden. Der Gipfel war für Juni geplant.
Am Freitagmorgen wird die EU in Brüssel einen Teil des Assoziierungs- und Handelsabkommens mit der Ukraine unterzeichnen, das im vergangenen Jahr Ursache für die innenpolitischen Konflikte in dem Land war. Damit wollen die Europäer die neue prowestliche Führung in Kiew unterstützen. Es werden allerdings nur die Vertragsteile unterschrieben, die sich mit politischem Dialog, einer Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in Justizsachen befassen.
Der Handelsteil wird bewusst für einen späteren Zeitpunkt ausgeklammert. Das geschieht, weil Russland immer wieder die Befürchtung geäußert hat, eine Marktöffnung der Ukraine könne dazu führen, dass der russische Markt über das Nachbarland mit europäischen Waren überschwemmt wird. In der EU wird diese Darstellung zwar bezweifelt, aber man will Moskau offenbar nicht reizen. Um der Ukraine trotzdem beim Export zu helfen, öffnet die EU – zunächst für ein halbes Jahr – einseitig ihre Märkte für ukrainische Waren. Das soll der Wirtschaft des Landes Zollersparnisse von 500 Millionen Euro bringen.