Syrien-Konflikt : Um Mitternacht lenkte auch Österreich ein
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Bald auch Waffen aus Europa? Syrische Rebellen in Aleppo Bild: AFP
Der Brüsseler Syrien-Beschluss der Außenminister offenbarte wieder einmal tiefe Gräben in der EU. Die Deutschen gingen diesmal nicht auf offenen Konfrontationskurs mit London und Paris.
In Brüssel ist man mittlerweile daran gewöhnt, dass weitreichende Entscheidungen spät am Abend fallen. Nur die Außenminister waren von solchen Marathonsitzungen bisher verschont geblieben. Die Diplomatie ist ein ruhiges Geschäft, das sich in der Regel bis zum normalen Feierabend erledigen lässt. Nicht so am Montag: Einen ganzen Tag und eine halbe Nacht rangen die Mitgliedstaaten über die Frage, ob die EU ihr Waffenembargo zugunsten der syrischen Opposition lockern solle. Das war ein Beschluss von weltpolitischer Bedeutung, und er offenbarte wieder einmal tiefe Gräben zwischen den Mitgliedern der EU. Anders als in den Euro-Debatten gab die Bundesregierung diesmal aber nicht die Marschrichtung vor. Am Ende setzten sich Großbritannien und Frankreich durch, die beiden außenpolitischen Schwergewichte.
Der Streit über das Embargo schwelte in der EU seit Monaten. Das Ausfuhrverbot für Waffen war gleich zu Beginn der syrischen Krise vor zwei Jahren verhängt worden, so wie das die EU üblicherweise macht, wenn in einem Land ein Bürgerkrieg ausbricht. Lange Zeit hatte dagegen niemand etwas einzuwenden. Das Embargo wurde mit dem Fortdauern der Kämpfe dann um allerlei andere politische und wirtschaftliche Sanktionen ergänzt, die das Assad-Regime treffen sollten.
Ende vergangenen Jahres kamen aus London und Paris plötzlich Forderungen, zumindest an die Opposition Waffen zu liefern, um auf dem Schlachtfeld für Chancengleichheit zu sorgen. Das traf bei den anderen EU-Staaten auf wenig Begeisterung. Über Wochen hinweg wurde über das Thema immer wieder diskutiert, von den Botschaftern in Brüssel über die Außenminister bis zu den Staats- und Regierungschefs. Das Meinungsbild war meist 25 gegen zwei - kein anderer Mitgliedstaat stellte sich auf die Seite der Briten und Franzosen. Die Bundesregierung suchte den Konflikt im März ein wenig zu entschärfen, indem sie eine Lockerung der wirtschaftlichen Sanktionen zugunsten der Opposition vorschlug. Damit waren alle einverstanden, das Thema Waffenlieferungen blieb aber auf dem Tisch.
Eine Besonderheit des EU-Rechts setzte die Außenminister schließlich unter Zugzwang: Europäische Sanktionen laufen nie auf unbegrenzte Zeit, sondern sie haben ein Verfallsdatum. In diesem Fall war das der 1. Juni. Wenn die EU bis dahin keinen neuen Beschluss gefasst hätte, dann wären alle Sanktionen gegen Syrien ausgelaufen - nicht nur das Waffen-, sondern auch ein Ölembargo und die vielen Einzelmaßnahmen gegen Assads Machtapparat. So musste am Montag eine Entscheidung gefällt werden und das auch noch einstimmig, denn das ist für die EU-Außenpolitik vorgeschrieben.
In den Vorverhandlungen der Brüsseler Diplomaten war, wie das bei hochbrisanten Themen meist der Fall ist, keine Einigung erzielt worden. Also mussten die Minister selbst ran. Schon zu Beginn der Sitzung wurde klar, wo die beiden Extrempositionen lagen: Der britische Außenminister William Hague ging mit der Äußerung in die Verhandlungen, dass „es wichtiger ist, das Richtige für Syrien zu tun, als dass die EU in jedem Detail übereinstimmt“. Mit anderen Worten: London schien bereit, alle Sanktionen platzen zu lassen. Der selbstbewussten UN-Vetomacht, die sowieso nicht mehr viel von der EU hält, stand das kleine, neutrale Österreich gegenüber, das auf gar keinen Fall eine Entscheidung mittragen wollte, in der sich die EU „mit Waffenlieferungen auf eine Seite stellt“, wie das Außenminister Michael Spindelegger formulierte. Hier gehe es um eine Grundsatzentscheidung, ob die EU noch jene „Friedensunion“ sei, die gerade mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.