„Sicherheit der EU bedroht“ : Erhöhte Terrorgefahr in Europa durch Mali-Einsatz
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Der Mali-Einsatz erhöht die Terrorgefahr in der EU: Französische Soldaten auf dem zerstörten Markt in Gao im Osten Malis. Bild: Reuters
Das militärische Eingreifen der EU in Mali erhöht offenbar die Gefahr von Terroranschlägen in Europa. Das geht aus dem Bericht des Antiterrorismuskoordinators der EU, Gilles de Kerchove, hervor, der der F.A.Z. vorliegt. Darin heißt es, die Sicherheit der EU sei „direkt bedroht“.
Das militärische Eingreifen der EU in Mali erhöht offenbar die Gefahr von Terroranschlägen in Europa. Der F.A.Z. liegt ein vertraulicher Bericht des Antiterrorismuskoordinators der EU, Gilles de Kerchove, vor, in dem es heißt, die Sicherheit der EU sei „direkt bedroht“ durch die verbliebenen Rückzugsgebiete der Terroristen in Nordmali, ihren vergrößerten Operationsraum in der Region und die Möglichkeit, dass gut ausgebildete europäische Dschihadisten in die EU zurückkehren könnten. De Kerchove hatte sein Papier am vergangenen Donnerstag in Brüssel den Innenministern der EU in einer nichtöffentlichen Sitzung vorgestellt. Einzelheiten über die Diskussion wurden nicht bekannt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der an dem Treffen teilnahm, wies danach vor der Presse nur darauf hin, dass es Hinweise darauf gebe, dass europäische Dschihadisten vermehrt nach Syrien reisten. Dort kämen sie anscheinend besser zurecht als bei ihren Verbündeten in Afrika.
Rekrutierung neuer Terroristen
In dem Papier werden Ermittlungsergebnisse des europäischen Polizeiamts Europol zitiert, wonach im Internet und in den sozialen Netzwerken zahlreiche Terroristen und Extremisten die Lage in Mali und in der Sahelzone, wo sich die EU auch mit anderen Projekten engagiert, ausgiebig für „antifranzösische und antieuropäische Narrative und Drohungen“ nutzten. Die Intervention Frankreichs und die militärische Ausbildungsmission der EU seien von einigen Terrororganisationen als Angriff auf den Islam verurteilt worden. Erschwerend komme hinzu, dass auch einige arabische Länder das europäische Vorgehen kritisiert hätten. Es bestehe die Gefahr, dass diese Kritik an Europa als Mittel zur Rekrutierung von neuen Terroristen genutzt werde und insbesondere zu einer Radikalisierung von in Europa lebenden Ausländern führe, die bisher nicht für die Propaganda von Al Qaida zugänglich waren.
Die EU hat das Eingreifen Frankreichs und ihre im Aufbau befindliche Ausbildungsmission für die malische Armee, an der sich auch die Bundeswehr beteiligt, bisher stets als Beitrag bezeichnet, um die Terrorgefahr, ebenso wie den Drogenhandel aus der Sahelzone zu verringern. De Kerchoves Papier, das in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission und dem Auswärtigen Dienst der EU entstand, stellt diese Sichtweise nicht in Frage. Ausdrücklich weist er darauf hin, dass die französische Operation Serval „die größte Bedrohung“ beseitigt habe: dass nämlich Terroristengruppen die großen Städte Nordmalis übernommen hätten und bis in die Hauptstadt Bamako marschiert wären. Allerdings sei immer noch eine „hohe Anzahl“ von gut bewaffneten und gut ausgerüsteten Terroristen im Norden des Landes aktiv, zu deren „Neutralisierung“ noch dauerhafte Anstrengungen nötig seien.
Gefahr vor allem durch Einzeltäter
De Kerchove schreibt, dass in Europa vor allem die Gefahr von Angriffen durch Einzeltäter bestehe. Es könnte ein erhöhtes Risiko für Angriffe auf wichtige Infrastruktureinrichtungen bestehen, die sich den jüngsten Überfall auf die Gasanlage von In Amenas in Algerien zum Vorbild nehmen könnten. In Europa sei allerdings eher mit Angriffen von internen Mitarbeitern zu rechnen als mit einer Geiselnahme durch eine Gruppe von auswärtigen Terroristen. Eine „nennenswerte Zahl“ an EU-Bürgern reise derzeit nach Libyen und Syrien, um sich dort für den Dschihad ausbilden zu lassen und zu kämpfen. Diese Reisen könnten in den nächsten Monaten und Jahren noch zunehmen. „Hunderte von gut ausgebildeten Dschihadisten könnten nach Europa zurückkehren und das Risiko für Terroranschläge erhöhen.“
Die Sicherheitslage in der Sahel-Zone und im Maghreb, die von Europa nur durchs Mittelmeer getrennt sind, wird in dem Papier insgesamt als schlecht bewertet. Die Schwächung oder Abschaffung der Sicherheitsbehörden, zu der es in einigen Ländern nach den Revolutionen des arabischen Frühlings gekommen sei, habe Terrorgruppen einen größeren Operationsraum verschafft. Aus Libyen und Syrien sei „ein Strom“ von Waffen und Kämpfern in die Region geflossen, was durch die mangelhaften Grenzkontrollen noch verstärkt worden sei. Die Anzahl der Terrorgruppen in der Region habe sich erhöht, ebenso wie ihre Verbindungen untereinander.