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EU-Mitgliedschaft der Türkei : Juncker lehnt Abbruch der Verhandlungen ab

  • Aktualisiert am

Setzt auf Diplomatie: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Bild: dpa

Der österreichische Bundeskanzler Kern fordert das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker widerspricht. Der Streit in der EU spitzt sich zu.

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          Angesichts des harten Vorgehens der türkischen Regierung nach dem Putschversuch gibt es in Europa Streit über die Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern forderte einen Abbruch der Gespräche. „Die Beitrittsverhandlungen – so wie sie jetzt laufen – sind eigentlich nur noch eine diplomatische Fiktion.“, sagte Kern. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hingegen lehnt einen Abbruch der Verhandlungen ab. Die Türkei selbst übte an dem österreichischen Sozialdemokraten Kern scharfe Kritik: „Es ist verstörend, dass seine Kommentare ähnlich wie die von Rechtsaußen klingen“, sagte Europaminister Ömer Celik am Donnerstag.

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          Die EU hatte die Gespräche mit der Regierung in Ankara im Jahr 2005 aufgenommen. Die Grundlage für Beitrittsgespräche reicht bis in die sechziger Jahre zurück – allerdings ohne große Fortschritte. Neue Zweifel an einer EU-Mitgliedschaft sind in Europa nach dem gescheiterten Putsch im Juli aufgekommen. Kritiker werfen Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, nicht nur gegen Putschisten, sondern auch andere Regierungskritiker vorzugehen. Zehntausende Soldaten, Polizisten, Staatsanwälte, Beamte und Lehrer sind festgenommen oder suspendiert worden.

          Kern sagte am Mittwochabend im ORF: „Wir wissen, dass die demokratischen Standards bei weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen.“ Gravierend sei auch, dass die türkische Wirtschaft vom europäischen Durchschnitt zu weit weg sei. „Ich sehe einen Beitritt der Türkei auf Jahre, wenn nicht auf Jahrzehnte, für ein Ding der Unmöglichkeit an.“ Er will das Thema auf dem EU-Gipfel am 16. September zur Sprache bringen.

          Juncker dagegen sagte in einem ARD-Interview, die Gespräche mit Ankara fortzusetzen. Außerdem müssten einem Abbruch alle Mitgliedstaaten zustimmen, so Juncker. „Ich sehe nicht, dass es jetzt von Hilfe wäre, wenn wir einseitig der Türkei bedeuten würden, dass die Verhandlungen zu Ende sind.“ Diese Bereitschaft gebe es ihm zufolge auch nicht. „Schwerer außenpolitischer Fehler“ wäre, der Türkei aktuell in Aussicht zu stellen, dass sie nicht Mitglied werden könne. Zugleich äußerte er sich zuversichtlich, dass sich die Türkei an das Flüchtlingsabkommen hält.

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          Die Bundesregierung verwies nur auf frühere Aussagen, wonach die Beitrittsverhandlungen ergebnisoffen geführt werden. Kanzlerin Angela Merkel hatte bei den Verhandlungen über das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei eine wichtige Rolle gespielt. Die Vereinbarungen haben dazu beigetragen, dass die Zahl der in Deutschland ankommenden Migranten deutlich zurückgegangen ist.

          Die Türkei hat damit gedroht, das Abkommen aufzukündigen, wenn der Visazwang für ihre Bürger bei Reisen in die EU nicht wie vereinbart aufgehoben wird. Juncker beharrte nun auf den Bedingungen, die der Nato-Staat zuvor erfüllen muss. Bei Menschenrechtsfragen werde die EU nicht von ihrem Standpunkt abrücken, sagte er.

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          Erdogan kündigte unterdessen weitere Maßnahmen gegen seinen Erzfeind Fethullah Gülen an. Er werde türkischen Unternehmen alle Geschäftsbeziehungen zu Firmen untersagen lassen, die mit Gülen verbunden seien sowie deren Erlöse einkassieren, sagte er vor Wirtschaftsvertretern in Ankara. Der Staatschef wirft Gülen vor, hinter dem Putschversuch zu stehen. Gülen weist dies zurück.

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