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Flüchtlingsdrama auf Lampedusa : „Mehr tun, um Menschenleben zu retten“

  • Aktualisiert am

Jeden Tag steigt die Zahl der Särge in einem Hangar des Fluhafens von Lampedusa Bild: AP

Die EU-Innenminister beraten nach der Katastrophe vor Lampedusa über Konsequenzen für die Flüchtlingspolitik. EU-Kommissarin Malmström forderte eine neue Operation der Grenzschutzagentur Frontex, um Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot zu retten.

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          Nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa beraten die EU-Innenminister an diesem Dienstag über Konsequenzen aus dem Unglück mit mehr als 230 Toten. Es bahnt sich eine grundsätzliche Debatte über die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union an.

          EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström forderte vor dem Treffen in Luxemburg eine neue Operation der EU-Grenzschutzagentur Frontex, um Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot zu retten. „Ich  werde den Mitgliedstaaten eine große Frontex-Operation im gesamten Mittelmeer von Zypern bis Spanien vorschlagen“, sagte Malmström. Es gehe um die politische Unterstützung und die notwendigen Mittel, „um mehr Menschenleben zu retten.“  Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) rief zu einer Modernisierung der Seenotrettung auf.

          Malmström erwartet indes nicht, dass die EU-Länder kurzfristig zu einer Änderung des Systems zur Aufnahme von Flüchtlingen bereit  Auch Friedrich lehnt das ab. Bisher muss sich das jeweilige Ankunftsland um das Schicksal der Flüchtlinge kümmern. Die Bundesregierung hatte schon am Montag Kritik zurückgewiesen, Deutschland nehme nicht genug Flüchtlinge auf.

          Friedrich sprach sich für europäisch-afrikanische Wirtschaftsgespräche aus. Ziel  müsse es sein, die Entwicklung in den Herkunftsländern so zu verbessern, dass „die Menschen schon keinen Grund haben, ihre Heimat zu verlassen“, sagte Friedrich der „Süddeutschen Zeitung“. Eine Katastrophe wie die vor Lampedusa dürfe sich nicht wiederholen.

          Nach Unglück vor Lampedusa : Debatte über EU-Flüchtlingspolitik

          Vor der Mittelmeerinsel hatten Taucher nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa am Montag 37 weitere Leichen geborgen. Die Opferzahl stieg damit auf 231. Die Rettungskräfte befürchten weitere Tote. Von den mehr als 400 Menschen an Bord des gesunkenen Schiffes konnten nur 155 lebend gerettet werden. Bis auf einen Tunesier sollen sie aus Eritrea stammen. Das Schiff mit den Migranten war am Donnerstag vor der Insel in Flammen aufgegangen und gekentert.

          FDP-Europaabgeordnete Lambsdorff: Friedrich blockiert

          Ebenso wie EU-Kommissarin Malmström fordert der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff eine deutlich  bessere Ausstattung der Grenzschutzagentur Frontex. Sie brauche mehr Geld, Schiffe und Hubschrauber, um den Tod weiterer Flüchtlinge zu verhindern, sagte der Vorsitzende der liberalen Gruppe im Europäischen Parlament dem „Bonner General-Anzeiger“. Es dürfe zudem nicht sein, dass Frontex  Flüchtlingsboote aufs offene Meer zurückschicke.

          Lambsdorff unterstütze die Forderung der stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden Julia Klöckner nach einer europäischen Flüchtlingskonferenz. Die liberale Fraktion im Europaparlament werde die Forderung in dieser Woche vorbringen.  „Ich hoffe, dass die Tragödie von Lampedusa die Dringlichkeit des Problems endlich deutlich werden lässt und zu einer wirklich  europäischen Politik führt“, sagte Lambsdorff.

          Bild: DPA

          Bisher habe Innenminister Friedrich „alles blockiert, was an Verbesserungen in Brüssel vorgeschlagen wurde“. Lambsdorff äußerte Verständnis für Forderungen Italiens nach einer  gerechteren Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Die Flüchtlinge wollten „nach Europa, nicht in einzelne Länder“. Es sei „nicht in Ordnung“, dass die Länder, in denen die Flüchtlinge als erstes eintreffen, sich um alles kümmern müssten. „Es ist allerhöchste  Zeit, zu einer gemeinsamen Flüchtlings- und Asylpolitik zu kommen“,  sagte Lambsdorff.  Für legale Migranten müsse es einen  gemeinsamen Verteilschlüssel geben, „wie den in Deutschland zwischen den Bundesländern“.

          EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte am Montag gesagt, es sei eine „ Schande, dass die EU Italien mit dem Flüchtlingsstrom aus Afrika so lange alleingelassen hat.“ Die Flüchtlinge müssten in Zukunft gerechter auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. „Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss.“ Regierungssprecher Steffen Seibert hatte den Vorwurf umgehend zurückgewiesen. Deutschland tue das, „was seiner Größe und seiner Bevölkerungszahl in Europa entspricht“.

          Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums sagte, „der Ruf nach einem gerechteren Verteilungsmechanismus“ für Flüchtlinge in Europa lasse sich mit Blick auf Deutschland nicht zahlenmäßig begründen. Deutschland habe beispielsweise im vergangenen Jahr rund 65.000 Asylbewerber aufgenommen - Italien lediglich 15.000.

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