EU-Tabakrichtlinie : Von Lungen und Lobbyarbeit
- -Aktualisiert am

Diese Bilder werden weder Gegner noch Befürworter schärferer EU-Auflagen bei den Beratungen über das Tabak-Gesetzespaket kaltlassen: Zigarettenpakete, die den Vorgaben des EU-Vorschlags entsprechen Bild: dpa
Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag zur Tabak-Gesetzgebung vorgelegt. Noch ist aber genug Zeit für Kritiker und Anhänger verschärfter Vorschriften, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen.
Gerade einmal drei Wochen ist Tonio Borg EU-Gesundheitskommissar. Am Mittwoch schlägt die erste große Stunde des maltesischen Politikers im neuen Amt. Er sei stolz darauf, die Vorschläge der Kommission für eine Novellierung der EU-Tabakgesetzgebung aus dem Jahr 2001 noch vor dem Jahresende und nicht erst - wie zunächst angekündigt - im Januar vorlegen zu können, sagt Borg. Der Pressemitteilung der Kommission ist zudem zu entnehmen, dass es nach „jahrelangen Beratungen“ in der Behörde nun gelungen sei, den Vorschlag anzunehmen. Auf die Bitte, sich zu ihren Plänen zu äußern, seien 85.000 Antworten eingegangen - von Tabakkonzernen und -verbänden sowie Gesundheitsschützern oder Behörden der EU-Länder, aber auch von Bürgern.
Am Mittwoch scheint es, als habe der 55 Jahre alte konservative Politiker, der bis zum Jahr 1991 selbst Raucher und bis vor kurzem als Außenminister seines Landes unterwegs war, keine anderen Sorgen mehr als die gesundheitlichen Risiken des Tabakkonsums. Die Erfahrung auf dem diplomatischen Parkett verrät Borg mit dem Hinweis, die Brüsseler Vorschläge seien „kein Dogma“ und er werde sie auch nicht „im Geiste eines Kreuzritters“ verfolgen. Aber der Ruf nach Verschärfung der Tabakgesetzgebung sei aus dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten gekommen. Der Vorschlag der Kommission sei nun Grundlage für die kommende Gesetzgebungsarbeit. Er werde, verspricht Borg, alles dafür tun, dass die Novellierung der Richtlinie bis zum Ende der Wahlperiode im Mai 2014 unter Dach und Fach sei und 2015/2016 in Kraft treten könne sei.
Heftige Debatte über Zulassung von Lutschtabak
Noch ist also genug Zeit für Kritiker und Anhänger verschärfter Vorschriften, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen. Dazu eignen sich diskrete Treffen mit Entscheidungsträgern gleichermaßen wie öffentlich vorgetragene Forderungen in Parlamentsausschüssen, Anhörungen oder auf Papier. Hinter den Kulissen haben sich Tabakkonzerne und der europäische Dachverband der Zigarettenhersteller, aber auch die Nichtraucherlobby mit Verbänden wie der Europäischen Öffentlichen Allianz für Gesundheit oder das Europäische Netz für Rauch- und Tabakprävention längst in Stellung gebracht.
Als im Sommer 2010 eine im Auftrag der Kommission arbeitende Sachverständigengruppe anregte, künftig nach australischem Muster nur noch „neutrale Schachteln“ ohne Logo der Marke beim Zigarettenverkauf zu ermöglichen, schlugen Vertreter der Tabaklobby Alarm. Von neuen staatlichen Restriktionen, einem Preiswettlauf nach unten und dem erschwerten Wahlrecht für Verbraucher war die Rede. Der damalige, im September zurückgetretene Gesundheitskommissar John Dalli ließ seinerzeit zwar verbreiten, es sei ungewiss, ob die Anregung der Sachverständigen aufgegriffen würde. Der Brüsseler Vorschlag zur Revision des EU-Regelwerks solle spätestens Ende 2011 vorliegen, heiß es damals.
Schon deutlich länger versucht der schwedische Tabakkonzern Swedish Match vor dem Hintergrund der angestrebten EU-Gesetzesnovellierung, Gesprächspartner in Brüssel und Straßburg von den Vorteilen des nur in Schweden zugelassenen Lutschtabaks Snus zu überzeugen. Innerhalb des Europäischen Parlaments war eine heftige Debatte darüber entbrannt, ob eine europaweite Zulassung sinnvoll sei oder nicht. Ein Bericht unabhängiger Wissenschaftler bestätigte zwar, dass Snus weniger gesundheitliche Risiken als Zigaretten berge. Aber sie verwiesen darauf, dass das Snus die „stark abhängig machende Substanz“ Nikotin beinhalte. Swedish Match und der EU-Dachverband für rauchfreien Tabak, dem auch die vier führenden internationalen Tabakkonzerne angehören, ließen sich durch die abweisende Haltung im EU-Parlament nicht entmutigen und warben weiter für eine Aufhebung des Snus-Verbots - zumindest vergeblich, was den Vorschlag vom Mittwoch betrifft.