Demographievergleich : „Frankreich altert, Deutschland vergreist“
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Der Bundesrepublik attestieren Sievert und Klingholz, in einer „Fertilitätsfalle“ zu stecken. Für deutsche Frauen und Männer sei es zur sozialen Norm geworden, wenige oder gar keine Kinder zu haben. „Für die Familienpolitik bedeutet der niedrige Kinderwunsch einen begrenzten Handlungsspielraum“, schreiben die Autoren. Sie bezweifeln, dass Elterngeld und andere finanzielle Anreize die demographische Abwärtsspirale beenden können.
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Laulan, der nicht glaubt, dass mit Kindergärten, Krippen oder Ganztagsschulen die drohende „demographische Katastrophe“ abgewendet werden kann. Für Laulan wirft der demographische Niedergang vielmehr die Frage auf, warum der Kinderwunsch gerade bei gut ausgebildeten jungen Deutschen abgenommen habe. Wenn ein hoher Anteil von jungen Akademikerinnen auf Kinder verzichte, dann liege es nicht daran, dass sie sich diese im materiellen Sinne nicht leisten können.
„Niemand wird sich Kinder wünschen, wenn er nicht, wenn auch nur unbewusst, an die Zukunft glaubt, wenn er sich nicht danach sehnt, dass seine Nation und sein Vaterland über seine eigene Existenz hinaus fortbestehen“, schreibt Laulan. „Ist es Deutschland nach dem Krieg vielleicht zu gut gelungen, die Idee einer Nation abzutöten?“, fragt der Essayist.
Jedes dritte geborene Kind in Deutschland hat Migrationshintergrund
Die Autoren Sievert und Klingholz korrigieren die weitverbreitete Vorstellung, dass Frankreichs Bevölkerungswachstum vor allem auf Zuwanderung zurückzuführen ist. Frankreich weist auch nach dem Ende des Babybooms in den siebziger Jahren kontinuierlich einen Geburtenüberschuss auf.
Deutschland hingegen verzeichnet seit 1972 durchgehend mehr Sterbefälle als Geburten. Demographisches Wachstum beruhte in Deutschland über Jahrzehnte auf Zuwanderung. In Frankreich ist es genau umgekehrt: Vier Fünftel des Zuwachses sind dem Geburtenüberschuss zu verdanken. „Das ist für ein westeuropäisches Land äußerst ungewöhnlich“, schreiben die Autoren.
Aufgrund der schnellen Einbürgerungsverfahren liegen zuverlässige Statistiken über den Anteil von Müttern mit Migrationshintergrund in Frankreich nicht vor. Für Deutschland sind die Zahlen indessen bekannt. Jedes dritte Kind, das in Deutschland geboren wird, hat einen Migrationshintergrund. Das liegt an der höheren Fertilität dieser Bevölkerungsgruppe und an ihrer Altersstruktur. Unter Migranten sind anteilsmäßig deutlich mehr Frauen im gebärfähigen Alter als unter Deutschstämmigen.
Alterungsprozess trifft beide Länder
Frankreich wird durch seine Wachstumsdynamik allerdings nicht von der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft verschont. Der Alterungsprozess vollzieht sich nur langsamer als im kinderarmen Deutschland. Sievert und Klingholz haben für die parallele Entwicklung die griffige Formulierung „Frankreich altert, Deutschland vergreist“ gefunden.
Frankreich muss sich allerdings nicht darauf vorbereiten, Deutschland in der Rolle des bevölkerungsreichsten Staates in der EU abzulösen. Stimmen die Prognosen, dann gewinnt Großbritannien bis zum Jahr 2050 den Status des bevölkerungsreichsten Landes in der EU. Nur die Türkei, für deren EU-Mitgliedschaft Großbritannien eintritt, könnte dem Land den Rang streitig machen.