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Energiewende : Trasse des zunehmenden Widerstands

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Der Südlink: Das soll die neue Pulsader sein, die starke Stromquellen im Norden mit starken Stromverbraucher im Süden verbindet, aber auch Strom aus bayerischen Photovoltaikanlagen und Wasserkraft nach Norden bringen kann. Bild: dpa

Südlink soll einmal Strom von den Windmühlen im Norden für die Industrie nach Süden bringen. Im Norden verstehen das die Leute gut, je weiter man nach Süden kommt, desto größer wird der Widerstand.

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          Rote Backsteinhäuser, reetgedeckte Dächer, vereinzelte Höfe, weidende Kühe auf weiten Wiesen, Ozeanriesen jenseits des Elbdeichs und ein Kernkraftwerk diesseits des Erdwalls neben einem schmucken Dorf mit Schwimmbad und Eisbahn. Brokdorf heißt es. Hier tobten einst Schlachten. „Grausam und furchtbar“ sei es gewesen, erinnert sich Manfred Boll (CDU), Bürgermeister von Nortorf, wie Brokdorf eine von vierzehn Gemeinden, die sich zum Amt Wilstermarsch zusammengeschlossen haben, das von Wilster aus regiert wird. Die Brokdorfer selbst, sagt Amtsvorsteher Helmut Siewers von der kommunalen Wählervereinigung Stördorf, hatten ihren Frieden gemacht mit dem Kernkraftwerk. „Die Gegner, die fanatisch waren, kamen von außerhalb“, sagt Boll. Die Bewohner der Marsch sind nicht technikfeindlich, Ingenieurkunst hat ihre Heimat überhaupt erst entstehen lassen. Ein Netz von schmalen Rinnen, den Grüppen, von Gräben und bachähnlichen „Wassern“ durchzieht seit Jahrhunderten das moorige Land unter dem Meeresspiegel, um das Wasser zu sammeln, abzuleiten und – einst mit Hilfe von Windmühlen – abzupumpen, damit die Marsch überhaupt bewohnbar ist.

          Auch die Stromleitungen, die seit dem Bau neuer Kraftwerke die Marsch durchziehen, wurden akzeptiert. „Keiner hatte was dagegen. Für einen Mast gab es ein bisschen Geld als Entschädigung“, sagt Boll. „Und alles blieb ganz normal. Mir ist nicht bekannt, dass es zu psychischen Problemen kam, und Kinder kamen auch noch zur Welt.“ Siewers sagt: „Hier ist der Mensch ziemlich Realist. Ein jeder weiß doch, wir brauchen Strom. Und nun wollen wir vom Atom weg zu den regenerativen Energien. Und dass der Strom aus der Windkraft zum Süden müsste, ist doch eigentlich auch allen klar.“ Entschädigung gibt es jetzt, wenn der Strom nicht abfließen kann und die Mühlen abgeschaltet werden müssen. „Unglaublich“, sagt Boll. 150 Millionen Euro hat allein der Netzbetreiber Tennet, der die Stromversorgung in einem Streifen von Schleswig-Holstein bis Bayern sichert, im Jahr 2013 für solche Netzeingriffe bezahlt und an die Stromkunden „weitergereicht“. 2014 waren es schon 250 Millionen Euro. Mit dem Ausbau der Windenergie im Norden und dem Abschalten der Kernkraftwerke im Süden wächst der Bedarf an Transportkapazität. Allein in Schleswig-Holstein wird die installierte Leistung an Windkraft nach Angaben von Tennet bis 2024 von vier auf elf Gigawatt wachsen. Darum steht für Boll fest: „Der Südlink hätte längst fertig sein müssen.“

          Gleichstromverbindung zwischen Nord und Süd

          Der Südlink: Das soll die neue Pulsader sein, die starke Stromquellen im Norden mit starken Stromverbraucher im Süden verbindet, aber auch Strom aus bayerischen Photovoltaikanlagen und Wasserkraft nach Norden bringen kann. Die Elektrotechniker haben sich für eine Gleichstromverbindung entschieden: weniger Übertragungsverluste, kompaktere Leitungen als bei Wechselstromtrassen. Wechselstrom aber hat sich in den Stromnetzen seit mehr als hundert Jahren als Standard etabliert. Also müssen Stationen an den Endpunkten den Wechsel- in Gleichstrom und den Gleichstrom wieder in Wechselstrom verwandeln.

          Im Norden speisen den Südlink zwei Gleichstromquellen. Eine liegt am stillgelegten Kernkraftwerk Brunsbüttel, wo einige Offshore-Windparks angebunden sind. Die andere liegt in Nortorf am Umspannwerk Wilster nahe Brokdorf. Einstweilen ruhen dort die Kühe auf leuchtend grünen Wiesen mit gelben Tupfen von Löwenzahn und käuen wieder. Noch eine Mahd, schätzt Boll, dann wird hier gebaut, und dann wird hier eines Tages der Nordlink enden, eine 520 Kilometer lange Gleichstromleitung aus Norwegen. Von dort kommt Wasserkraft, die im Unterschied zur Windkraft immer da ist, wenn sie gebraucht wird.

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