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Thorium-Reaktor in Hamm-Uentrop : Einmal Atomkraft und zurück

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„Sicherer Einschluss“, weil es kein Endlager gibt

„Wir haben uns 1989 für den sicheren Einschluss entschieden, weil zwar seit vielen Jahren Planungen für ein Endlager existierten, aber weil es bis heute noch kein Endlager gibt“, sagt Reischs Chef Günther Dietrich. Dietrich ist einer der Geschäftsführer der THTR-Betreiberin, der Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH (HKG). Er wurde einst promoviert beim Physiker Rudolf Schulten, dem Vater des deutschen Hochtemperaturreaktors. Dietrich, der wie der frühere Forschungsminister Riesenhuber stets Fliege trägt, ist 66 und eigentlich schon im Ruhestand. Doch akribisch plant er weiter. Auf dem „Zeitstrahl“, von dem Dietrich spricht, ist für 2023 vorgesehen, die Genehmigung für den Rückbau der Anlage einzureichen.

Einen Vorteil immerhin hat die lange Dauer: Wäre der THTR gleich nach der Stilllegung komplett zurückgebaut worden, wären 22.000 Kubikmeter verstrahlten Materials angefallen. Bis 2030 wird die Strahlung dann so weit abgeklungen sein, dass „nur“ noch 6000 Kubikmeter anfallen. Trotzdem wird der Rückbau des THTR nach derzeitigen Planungen noch einmal 388 Millionen Euro kosten. Die zwölf Jahre zwischen 2030 bis 2042 veranschlagt Dietrich für die Demontage und den Transport in ein Endlager, für die die HKG bis zum Jahr 2080 Zahlungen von insgesamt 193 Millionen Euro leisten muss. Ist bis 2030 noch immer kein Endlager ausgewiesen, könnte alles an Ort und Stelle bleiben. „Denn der sichere Einschluss ist laut Genehmigung terminlich nicht fixiert“, sagt Dietrich.

Es ist ein Sinnbild der Zeit

Auf der 21-Meter-Ebene gelangt man direkt an die fünf Meter dicke Spannbetonwand des Reaktors, in dem einst nicht nur die Brennelementkugeln lagerten, sondern in dem bis heute alle Hauptkomponenten des Atomkraftwerks verschlossen sind. Der THTR 300 ist sein eigenes Zwischenlager. Reisch und Dietrich laufen vorbei an einem großen, vergilbten Konstruktionsplan. Ein Arbeiter hat in großen Lettern darauf geschrieben: Es war eine schöne Baustelle. Die beiden Ingenieure bleiben bei den imposanten Modellen des Reaktorinnenlebens stehen. Die Szene erinnert ein wenig an einen Besuch im Deutschen Museum in München. Zumal das größte der Modelle von einer Plexiglasvitrine umfasst wird. Rote, grüne, gelbe Leitungen führen kreuz und quer durch das aufgeschnittene AKW-Modell im Wohnzimmerformat. Weil es seinerzeit noch keine Computersimulationsprogramme gab, halfen die Modelle den Kraftwerksmitarbeitern, die Orientierung nicht zu verlieren.

Dietrich bleibt ganz nüchtern und präzise. „Als Ingenieur kann ich nicht verhehlen, dass ich mit dieser Technik groß geworden bin und sie für richtig halte.“ Ein wenig Genugtuung lässt sich erahnen, als Dietrich davon berichtet, dass China sich intensiv für die Hochtemperaturreaktortechnik interessiere und auch Reaktoren betreibe. „Einen Export der Technik können Atomkraftgegner gar nicht mehr verhindern.“ Ansonsten aber hält sich Dietrich zurück. Dabei hätte er noch darauf hinweisen können, dass der Brennstoff des THTR 300 nur zu einem Zehntel aus Uran bestand und ansonsten aus Thorium, das nicht nur viermal häufiger in der Erdkruste vorhanden ist als Uran, sondern vor allem auch nicht waffenfähig ist. Er hätte darauf hinweisen können, dass die Hochtemperaturtechnik heute Wissenschaftlern als Chance nicht nur für Schwellen-, sondern auch für Entwicklungsländer gilt.

Der Chef greift selbst zum Hörer. „Wir gehen jetzt raus“, teilt Dietrich der Pforte mit. Sein Kollege Reisch schaltet wieder den schrillen Signalton ab. „Hast du das Licht ausgemacht?“, fragt Dietrich. „Ja.“ Dann stehen beide Männer wieder vor dem, was vom THTR übrig geblieben ist. Es ist ein Sinnbild der Zeit: Der THTR scheint sich auf dem Gelände der Kraftwerke Westfalen wegzuducken. Eingekeilt liegt er zwischen den erst im Februar endgültig stillgelegten Kohlekraftwerksblöcken A und B und Block C aus dem Jahr 1969, der noch läuft. Und nur einen Steinwurf entfernt entsteht ein topmodernes Mega-Kraftwerk. Es wird wieder mit Steinkohle befeuert werden. Aber der heimische Steinkohlebergbau ist trotzdem nicht mehr zur retten. Eben erst hat der Bundestag festgelegt, dass dieser Ausstieg 2018 unumkehrbar sein soll. Der Brennstoff für die neuen Blöcke kommt aus Übersee.

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