Endlager für Atommüll im Schacht Konrad : Gemeinden bekommen Entschädigung
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Bild: F.A.Z.
Im Schacht Konrad bei Salzgitter wird das bisher einzige genehmigte Endlager für radioaktiven Müll in Deutschland gebaut. Die Kommunen, die durch den Bau Nachteile befürchten, sollen aus dem sogenannten „Schacht-Konrad-Fonds“ finanziell entschädigt werden.
Die Stadt Salzgitter hat sich mit dem Bund und dem Land Niedersachsen auf die Einrichtung des sogenannten Schacht-Konrad-Fonds geeinigt. Damit können die Kommunen, die durch den Bau des Atommüllendlagers Schacht Konrad in Salzgitter Nachteile befürchten, finanziell entschädigt werden.
Im Schacht Konrad soll das bundesweit bisher einzige genehmigte Endlager für radioaktiven Müll gebaut werden. Das Endlager in dem ehemaligen Eisenerzbergwerk bei Salzgitter soll nach bisherigen Plänen im Jahr 2013 in Betrieb gehen und schwache und mittelstarke radioaktive Abfälle aufnehmen - etwa kontaminierte Schutzkleidung, Werkzeuge oder Anlageteile. Hoch radioaktive Abfälle werden dort nicht eingelagert.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sagte, Salzgitter und seine Nachbargemeinden übernähmen mit dem Schacht Konrad als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle eine große gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Nach langen Verhandlungen sei ein gutes Ergebnis und „ein fairer Vertrag“ geschaffen worden.
Drei Viertel von Atomwirtschaft - ein Viertel vom Bund
Nach der Ablehnung ihrer Klagen gegen die Genehmigung des Endlagers hatten die Gemeinden mit örtlichen Bundestagsabgeordneten vereinbart, dass der Fonds aufgelegt und eine Stiftung gegründet werden soll.
Die Mittel für diesen Fonds sollen zu drei Vierteln von der Atomwirtschaft und zu einem Viertel vom Bund aufgebracht werden. Als Gesamtbetrag sollen dem Fonds rund 100 Millionen Euro bis zum Jahr 2043 zur Verfügung gestellt werden.
Oberbürgermeister erleichtert
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte, nach intensiven Diskussionen sei nun „der Knoten durchgeschlagen worden“. Der Ausgleich sei gerechtfertigt für die künftigen und vergangenen Belastungen, die die Menschen vor Ort zu tragen hätten.
Erleichtert äußerte sich Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU). „Ich bin froh, dass wir wahrgenommen wurden“, sagte er. Nachdem sich die Stadt jahrzehntelang gegen die Einrichtung des Endlagers gewehrt habe und der Rechtsweg ausgeschöpft sei, liege mit dem Fonds nun ein tragfähiger Kompromiss vor.
Angela Merkel hatte den Fonds früher abgelehnt
Umweltschützer erinnerten unterdessen daran, dass vor 16 Jahren die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) die Einrichtung eines Entschädigungsfonds abgelehnt habe. Sie zitierten Merkel mit dem Satz: „Wenn man einen Entschädigungsfonds initiiert, würde man ja zugeben, dass man hier was ganz Schlimmes macht bei Ihnen.“
Die AG Schacht Konrad schlussfolgert deshalb: „16 Jahre später gibt man also endlich zu, dass man unserer Region etwas ganz Schlimmes antut.“ Sie bezeichneten die Ausgleichszahlungen als „Blutgeld“, das die Bevölkerung nicht vor Krebserkrankungen schützen könne. Die Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad solle nicht entschädigt, sondern verhindert werden.
Der SPD-Chef Sigmar Gabriel, zu dessen Bundestagswahlkreis Salzgitter gehört, begrüßte die Einigung. Dass er vom Bundesumweltministerium nicht zu dem Unterzeichnungstermin eingeladen worden sei, sei eine „bedauerliche Kleinkariertheit“, sagte Gabriel. Er lobte die Zusammenarbeit mit Salzgitters Oberbürgermeister Klingebiel. Gabriel war in den Jahren 2008 und 2009 an den Verhandlungen für den 100-Millionen-Euro-Fonds beteiligt.
Schacht Konrad - Vom Erzbergwerk zum Endlager
Der Schacht Konrad in Salzgitter ist eine aufgegebene Eisenerzgrube und das einzige Atommüllendlager in Deutschland, das nach dem Atomrecht genehmigt wurde. Das nach dem früheren Reichstagsabgeordneten und Vorsitzenden der Salzgitter AG, Konrad Ende, benannte Bergwerk war nur anderthalb Jahrzehnte in Betrieb. Anfang der 1970er Jahre wurde es wegen Unrentabilität geschlossen. Der Bund erwarb die Grube und ließ sie von 1975 an als mögliche Lagerstätte für radioaktive Abfälle untersuchen.
1982 stellte das Bundesamt für Strahlenschutz beim Land Niedersachsen einen Genehmigungsantrag zum Bau eines Endlagers. Rund 300.000 Bürger erhoben dagegen erfolglos Einwendungen. Die Genehmigung wurde 2002 erteilt. Gerichte wiesen Klagen von Anwohnern und Kommunen ab. In letzter Instanz gab das Bundesverwaltungsgericht 2007 grünes Licht für den Bau. Eine noch anhängige Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof hat keine aufschiebende Wirkung. Nach bisherigem Stand kostet der Umbau der Grube zum Endlager mindestens 1,6 Milliarden Euro.
Das Endlager im Schacht Konrad darf laut Genehmigungsbescheid bis zu 303.000 Kubikmeter schwach und mittelradioaktiven Atommüll aufnehmen. Ein großer Teil davon stammt aus Atomkraftwerken: kontaminierte Schutzkleidung, Arbeitsmaterial, Teile aus dem Abriss von Meilern. Der Rest kommt aus Forschungszentren, Instituten und Krankenhäusern.
Möglicherweise muss der Schacht Konrad auch Abfälle aus dem havarierten Atommülllager Asse aufnehmen. In diesem Fall wäre ein neues Genehmigungsverfahren erforderlich. Hochradioaktiver Müll wie abgebrannte Brennstäbe aus Atomkraftwerken oder Abfälle aus der Wiederaufarbeitung dürfen nicht ins Endlager Konrad.
Die Abfälle sollen nach Angaben der Behörden in 800 bis 1300 Metern Tiefe gelagert werden. Nach der Einlagerung wollen Ingenieure und Bergleute die Kammern mit Spezialbeton fest verschließen. Eine spätere Rückholung des Mülls ist damit ausgeschlossen. Radioaktive Stoffe können nach Berechnungen des Bundesamts für Strahlenschutz frühestens nach 320.000 Jahren an die Erdoberfläche gelangen, der allergrößte Teil der Nuklide sei dann zerfallen.