Der Preis des Ausstiegs : Atomkraft, nein danke!
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Bild: F.A.Z.
Frischauf ins grüne Abenteurland, in dem die Sonne scheint, der Wind weht, das Wasser sprudelt und der Kuhmist gärt. Deutschland kommt gut ohne Kernkraft aus. Doch das hat seinen Preis. Der Strom wird teurer, schmutziger und unzuverlässiger.
Die Würfel sind gefallen. Die Kernkraft ist in Deutschland ohne Zukunft. Japans Unglück lässt der deutschen Politik keine Wahl. Und die Bevölkerung auch nicht, knapp drei Viertel der Leute wollen so schnell wie möglich raus aus der Kernkraft.

Wirtschaftskorrespondent in Washington.
So sei diese Energie-Prognose gewagt: 2020 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz. Soweit waren selbst Schröder/Trittin nicht gegangen mit dem alten sogenannten Atomkonsens 2002. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wird jetzt Ehrgeiz investieren, den rot-grünen Ausstiegsplan überzuerfüllen, schon allein, damit die Opposition nicht mehr soviel Wind machen kann. Über Wind allerdings wird noch zu sprechen sein.
Ohne Atomstrom lebt sichs auch gut, dass bezweifelt niemand. Allerdings, ein bisschen spannend wird es: Denn schon das bisherige Energieprogramm der Bundesregierung, das den Meilern ein verlängertes Leben schenkte, war ambitioniert bis unrealistisch.
So stolpert Deutschland frischauf ins grüne Abenteuerland, wo Winde wehen, die Sonne scheint, das Wasser sprudelt und die Kühe und Schweine fürs Biogas sorgen. Und wo auch in zehn Jahren noch zwei schmutzige Geheimnisse lauern: Kraftwerke, die bei der Verfeuerung von Kohle und Gas giftige Treibhausgase in die Atmosphäre blasen. Und Stromlieferungen aus Atomkraftländern.
Auch Steinkohle- und Gaskraftwerke müssen mehr arbeiten
Nach Berechnungen des Essener Forschungsinstitutes RWI für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird sich der Anteil der Erneuerbaren Energien bei den Stromlieferungen bis 2020 fast verdoppeln. Doch auch Steinkohle- und Gaskraftwerke müssen deutlich mehr arbeiten. Von den 22,4 Prozent am Kuchen, die bisher von den AKWs kommen, übernehmen dieser Rechnung zufolge die Erneuerbaren etwas weniger als die Hälfte, den Rest decken überwiegend Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen ab.
Dazu kommt, dass der Kuchen größer werden muss, anders als die zweckoptimistische Bundesregierung kalkuliert. Deutschland verliert zwar Einwohner bis 2020, doch die Zahl der Haushalte steigt, außerdem werden immer mehr Anwendungen elektrisch (Stichwort eine Million Elektroautos bis 2020). Das wird den Verbrauch steigern, prophezeien die Essener Ökonomen in ihrem Energiereport.
„Es wird keine Stromlücke geben“
Trotzdem: „Atomkraftgegner überwintern im Dunkeln mit kaltem Hintern“ - dieser Spruch, wie es so einprägsam auf den Aufklebern von so manchem Kofferraumdeckel spottet, bleibt trotzdem unwahr. „Es wird keine Stromlücke geben wenn die AKWs vom Netz gehen“, sagt Ökonom Manuel Frondel. Die Botschaft beruhigt. Deutschland verfügt - rein statistisch betrachtet - selbst dann über genügend Kraftwerksleistung, um sich zu versorgen, wenn alle AKW still liegen. Schon 2010 produzierte der deutsche Kraftwerkspark samt Windrädern und Solarzellen 2,7 Prozent Strom mehr als das Land verbrauchte, obwohl die Hälfte der Reaktoren zumindest zeitweise nicht arbeitete.
Die potentielle Kapazität wird sogar noch größer, denn die Photovoltaik wird weiter so fröhlich ausgebaut, dass dem Energieökonomen Frondel schwindelig wird. Und nicht nur ihm. Nach aktuellen Schätzungen werden 2020 auf deutschen Scheunen- und Hausdächern Solaranlagen mit 50.000 Megawatt Leistung installiert sein.