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Ausgenommen von der EEG-Umlage : Warum Verbraucher mehr für Strom zahlen müssen

  • -Aktualisiert am

Im Papiergewerbe: viele Betriebe sind von der EEG-Umlage befreit Bild: dpa

Dieses Jahr sind 2.245 Betriebe von der EEG-Umlage befreit - doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Sie sparen dadurch 4 Milliarden Euro. Mehr zahlen müssen deshalb unter anderem Privathaushalte. Unfassbar.

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          Immer mehr Unternehmen sind von der Zahlung der Umlage für Ökostrom nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) befreit. Nach jetzt veröffentlichten Zahlen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) gilt die Befreiung dieses Jahr bereits für 2.245 Betriebe und Abnahmestellen. Im Vorjahr waren es nur 979. Damit müssen die begünstigten Unternehmen in diesem Jahr für 93.596 Gigawattstunden Strom keine Umlage zahlen. Diese noch unter Rot-Grün eingeführte „besondere Ausgleichsregelung“ soll verhindern, dass Unternehmen wegen der EEG-Umlage gegenüber Konkurrenten im Ausland benachteiligt werden.

          Andreas Mihm
          Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

          Für die Betriebe bedeutet das bares Geld. Sie sparen damit dieses Jahr Stromkosten in Höhe von 4 Milliarden Euro, denn die Umlage wird auf die Stromrechnung aufgeschlagen. Im vergangenen Jahr hatte sich die Entlastung auf 2,5 Milliarden Euro summiert, allerdings auch bei einer erheblich niedrigeren Umlage von 3,6 Cent je Kilowattstunde (kWh).

          Die 4 Milliarden Euro, die den energieintensiven Betrieben erlassen werden, müssen andere Verbraucher aufbringen: 1,5 Milliarden Euro zahlen die nicht privilegierten Industrie- und Verkehrsunternehmen. Je 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro müssen Privathaushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen aus Gewerbe, Handel, Dienstleistung aufbringen.

          Durch Bevorzugung steigt die Umlage

          Fast zwei Drittel der begünstigten Strommengen entfällt auf die Branchen Roheisen- und Stahlerzeugung, Nichteisen-Metalle, die chemische Industrie sowie das Papiergewerbe. An fünfter Stelle und noch vor der Zementindustrie kommen 53 Schienenbahnunternehmen. Sie galten in den jüngsten Debatten über die Reduzierung der Vergünstigung als Kandidaten, die von der Ausnahmeliste gestrichen werden sollten.

          Die Länder, in denen Unternehmen am meisten von der Ausnahmeregelung profitieren, sind laut Bafa Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen. Die Bevorzugung der Unternehmen führe dazu, dass die EEG-Umlage mit 5,28 je Kilowattstunde 1 Cent höher ausfällt, als es andernfalls notwendig wäre. Das seien 0,4 Cent je Kilowattstunde mehr als im Vorjahr.

          Die Grünen kritisierten den Anstieg und machten dafür die unter Schwarz-Gelb gewachsene Zahl der Ausnahmen verantwortlich. Dem entgegnete der energiepolitische Koordinator der Union, Thomas Bareiß (CDU), die steigende Zahl der Befreiungen sei sinnvoll und helfe dem Mittelstand. Auch wenn sich die Zahl der entlasteten Unternehmen mehr als verdoppelt habe, so sei die privilegierte Strommenge nur um 10 Prozent gewachsen. Das Bafa machte darauf aufmerksam, dass entgegen oft wiederholter Vorhaltungen keine Golfplätze oder Casinos von der EEG-Umlage befreit seien.

          Derweil verdichten sich die Anzeichen, dass die EEG-Umlage im nächsten Jahr wieder angehoben werden muss. Denn der Abbau des milliardenhohen Finanzierungsdefizits für Ökostrom aus dem vergangenen Jahr ist im April fast zum Stillstand gekommen. Die Einnahmen lagen nur noch um 66 Millionen Euro über den Ausgaben von 1,94 Milliarden Euro. Das Verrechnungskonto, auf dem die Einnahmen und Ausgaben verbucht werden, wies damit Ende April noch einen Fehlbetrag von 385 Millionen Euro aus. Zu Jahresbeginn waren es noch 2,7 Milliarden Euro gewesen.

          Da im Frühjahr vor allem wegen der besseren Nutzung der Solaranlagen die Auszahlungen für die Einspeisung von Grünstrom stark steigen, spricht viel dafür, dass die Ausgaben für Strom aus Wind, Sonne und Biomasse die Einnahmen in den nächsten Monaten wieder übertreffen werden und dass der Fehlbetrag aus dem vergangenen Jahr nicht weiter abgebaut werden kann. Ein wesentlicher Grund dafür sind die erneuerbaren Energien selbst. Denn der nicht speicherbare Ökostrom wird an der Börse verkauft.

          Eine steigende Einspeisung führt bei stabiler oder sinkender Nachfrage zu fallenden Preisen. In der Folge sinkt der Großhandelspreis für Strom stärker als prognostiziert. Das vergrößert die Finanzierungslücke: Einerseits bekommen die Ökostromproduzenten einen festen Preis für ihre Energie, weshalb sie ihre Angebote nicht der Nachfrage anpassen müssen. Sinkt der Erlös am Markt, muss die Umlage entsprechend steigen, um die Kostendifferenz auszugleichen.

          Kosten sollen aus dem Bundeshaushalt finanziert werden

          Derzeit kostet Elektrizität an der Börse rund 40 Euro je Megawattstunde, die Prognosen aus dem Herbst waren von mehr als 50 Euro ausgegangen. Deshalb wurde auch das im Herbst angepeilte Ziel verfehlt, zu Jahresbeginn das Vorjahresdefizit für den EEG-Strom auszugleichen und ein Finanzpolster für den Rest des Jahres aufzubauen. Manche Politiker hatten für 2014 eine sinkende Umlage in Aussicht gestellt, weil die Reserven auf dem EEG-Konto nicht weiter gefüllt werden müssten. Statt dessen wird über 6 bis 7 Cent je Kilowattstunde statt der heutigen 5,28 Cent spekuliert.

          Unterdessen hat ein Zusammenschluss aus sieben Wirtschaftsverbänden, darunter aus der Textil-, Stahl-, Kunststoff- und Keramikindustrie, zügig eine Reform der Ökostromfinanzierung verlangt. Statt wie bisher über eine Umlage sollten die Kosten von zuletzt 14 Milliarden Euro (nach Abzug der Verkaufserlöse an der Börse) zumindest zum Teil aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Die Kosten würden dann anders verteilt, nicht aber erhöht.

          Die Industrie profitiere davon finanziell und durch eine größere Wettbewerbsfähigkeit, was zu höheren Steuerzahlungen führe. Auch werde verhindert, dass einzelne Bürger durch hohe Stromkosten über Gebühr belastet würden. Eine Finanzierung aus dem Haushalt bedeute aber nicht, dass auf eine Reform des EEG verzichtet werden könne.

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