Edward Snowden : Auslieferung statt sicheren Geleits
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Edward Snowden in einem von WikiLeaks veröffentlichten Video während seines Treffens mit Hans-Christian Ströbele Bild: WikiLeaks
Manche wollen Edward Snowden zur Aussage vor einem Untersuchungsausschuss nach Berlin locken. Aber ein „sicheres Geleit“ für ihn wäre juristisch kaum zu begründen. Deutschland wäre durch Völkerrecht gezwungen, Snowden an Amerika auszuliefern.
Seit dem Besuch des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele bei Edward Snowden in Moskau wird wieder vermehrt gefordert, den früheren amerikanischen Geheimdienstmitarbeiter nach Deutschland zu holen. Dabei stellen sich Fragen nach der Rechtsgrundlage einer möglichen Einreise und nach einem Schutz Snowdens vor einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten, die ihn wegen Weitergabe vertraulicher Informationen vor Gericht stellen wollen. Klar ist in jedem Fall: Letztlich würde eine – wie auch immer gestaltete – Aufnahme Snowdens in Deutschland bedeuten, die Qualität der deutsch-amerikanischen Beziehungen für weniger bedeutend zu erachten als die Aufklärung der Spähaffäre. Dass es dazu kommt, ist eher unwahrscheinlich, so dass der Informant weiter fleißig Russisch lernen sollte.
Wie würde Snowden nach Deutschland kommen? Als Amerikaner könnte er visumfrei ins Land einreisen, doch haben die Behörden seines Heimatlandes seinen Pass für ungültig erklärt. Snowden müsste wohl gemäß Paragraph 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Passpflicht befreit werden. Dann benötigte er einen Aufenthaltstitel. Ein kürzlich erstelltes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags befasst sich mit der Option, dass ein möglicher parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre Snowden als Zeugen laden könnte. Laut Paragraph 22 des Aufenthaltsgesetzes „kann“ einem Ausländer für die Aufnahme aus dem Ausland „aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden“; eine solche „ist zu erteilen, wenn das Bundesministerium des Innern oder die von ihm bestimmte Stelle zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme erklärt hat“.
„Ermessensreduzierung auf Null“
Die Gutachterinnen sind der Ansicht, dass sich der Bundesinnenminister im Fall der Ladung eines Zeugen durch einen Untersuchungsausschuss – als einem Instrument des Parlaments, dem wie der Regierung die Wahrung des Staatswohls anvertraut ist – nicht davor verschließen dürfe, eine solche Erlaubnis zu gewähren. Sie erörtern für diesen Fall eine „Ermessensreduzierung auf Null“, konzedieren freilich, dass es „entgegenstehende außenpolitische Befürchtungen der Bundesregierung“ geben könnte, die in der „Ermessensabwägung schwerer wiegen könnten“; letztlich könne diese Frage nur „anhand des konkreten Einzelfalls entschieden werden“. Im Fall Snowden wäre folglich das Aufklärungsinteresse in der NSA-Affäre gegen die Beeinträchtigung des Verhältnisses zu Washington abzuwägen. Nichts deutet darauf hin, dass sich an der Gewichtung der Bundesregierung, die ihr Sprecher am Montag bekräftigte („Das transatlantische Bündnis ist für uns Deutsche von überragender Bedeutung“), etwas ändert.