Die Minderheit der Yeziden : Verleumdet, vertrieben, von Dschihadisten bedroht
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Pilger in Lalisch, dem zentralen Heiligtum der Yeziden im Nordirak Bild: AFP
Seit den Krawallen in Herford steht die religiöse Minderheit im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Doch über die Gemeinschaft, die ihren Glauben als Geheimreligion praktiziert, ist nur wenig bekannt. Wer sind die Yeziden?
Schon seit geraumer Zeit steht die kleine, weitgehend unbekannte religiöse Minderheit der Yeziden, die im Gebiet des Dschebel Sindschar im Norden des Iraks lebt, unter Druck. Die Yeziden sind Kurden. Yezidische Minderheiten gibt es zudem in Syrien, in der Region von Aleppo, vereinzelt in der Südosttürkei sowie in Nordwestiran, im Gebiet des Urmia-Sees. Ihre Gesamtzahl wird auf etwas mehr als 100.000 geschätzt. Die unruhigen Zeitläufte im Vorderen Orient haben dazu geführt, dass Yeziden schon vor vielen Jahren begannen, nach Amerika und Europa auszuwandern und sich in Sicherheit zu bringen. Die Diskriminierung und Verfolgung der Yeziden, die von ihrer muslimischen Umgebung lange Zeit als „Teufelsanbeter“ verunglimpft wurden, geschah weitgehend im Verborgenen.
Ihre Religion ist wenig erforscht. Allein der Name „Yezidi“ ist nicht eindeutig herzuleiten, doch ist wahrscheinlich, dass er mit einer der kurdischen oder persischen Bezeichnungen für Gott zusammenhängt: Izad oder Jazdan. Schon dies macht deutlich, dass die pejorative Benennung als „Teufelsanbeter“ oder „Götzendiener“ falsch ist. Es handelt sich um einen Monotheismus. Freilich ist es ein stark synkretistischer Glaube, der Elemente vieler nahöstlicher Religionen vereinigt, so zoroastrische, manichäische, christliche, gnostische und islamische. Auch der Sternenglaube der antiken Sabier von Harran, in dem sich die Kosmologie der Babylonier widerspiegelt, spielt in den Lehren der Yeziden angeblich eine gewisse Rolle. Hinzu kommen naturreligiöse Elemente.
Den wichtigsten Engel, den als Aspekt Gottes geltenden Melek Taus, verehren die Yeziden in der Form des heiligen Pfaus. Dies mag die Muslime zusätzlich dazu veranlasst haben, in den Yeziden „Götzenanbeter“ zu sehen, da sie den Pfau auch als Idol abbilden.
Auch der Status als Buchreligion hat sie nicht vor Verfolgung geschützt
Der „Engel Pfau“ gilt jedoch als Mittler zwischen den Menschen und Gott, der selbst passiv bleibt und nicht in das Geschehen der Welt eingreift. Wie etliche heterodoxe Gemeinschaften der Schiiten glauben auch die Yeziden an die Metempsychose, die Seelenwanderung. Das Ritual der Taufe, ein dreimaliges Untertauchen im Wasser, heißt „zemzem“; dies steht sicher für islamische Einflüsse, denn Muslime trinken während der Pilgerfahrt in Mekka aus dem Brunnen Zemzem. Es ist schwierig, etwas Genaues über all diese Vorstellungen zu erfahren, da der Glaube der Yeziden als Geheimreligion praktiziert wird, deren Geheimnisse nicht allen Gläubigen bekannt sind. Die Mitglieder dürfen um des Zusammenhalts willen nur untereinander heiraten. Bewusste Yeziden sehen sich in der religiösen Tradition des vorislamischen Iran und empfinden sich als Nachkommen der Meder. Dennoch sind die Einflüsse des Islams auf die Herausbildung der jezidischen Glaubensvorstellungen groß gewesen.
Das spirituelle Zentrum der Yeziden ist das Heiligtum von Scheich Adi im Nordirak. Er ist der am meisten verehrte Heilige. Scheich Adi Bin Musafiz (gestorben wohl im Jahre 1160) war ein Sufi, ein Mystiker des Islam, der sich bekannte muslimische Heilige und Asketen wie den Märtyrer al Halladsch (hingerichtet 922) oder den frühislamischen Frommen Hassan als Basri zum Vorbild genommen hatte. Hassan al Basri soll auch der Verfasser eines der heiligen Bücher der Yeziden sein: des Mashaf resch oder Schwarzen Buches. Eine andere Schrift, das Kitab al Dschilweh oder Buch der Offenbarungen, wird einem Mitarbeiter von Scheich Adi, Fachr al Din, zugeschrieben. Offenbar haben die Yeziden schon zu jener Zeit den Versuch unternommen, sich als „Buchreligion“ zu etablieren, um gegen Verfolgungen geschützt zu sein. Denn der Islam gebietet, die Angehörigen von Buchreligionen, die Ahl al kitab, zu schützen.
Den Yeziden hat das allerdings wenig genützt. Der bekannte englische Archäologe und Diplomat Austen Henry Layard, Ausgräber Ninives, berichtete schon im 19. Jahrhundert von regelrechten „Treibjagden“, welche die muslimische Bevölkerung in der Region von Mossul auf die Yeziden veranstaltete. Vorwände dafür – etwa Überfälle von Kurden – waren schnell gefunden. In Wahrheit sollten diese „Strafexpeditionen“ jedoch dazu dienen, die Yeziden zu bekehren oder auszurotten.