
Resolution zum Holodomor : Ein wichtiges politisches Signal
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Holodomor-Gedenken in Kiew am 28. November 2020 Bild: Reuters
Das Fehlen von Wissen über Osteuropas Geschichte ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Putins Regime in Deutschland so lange falsch eingeschätzt wurde.
Vermutlich hören die meisten Deutschen durch die Resolution des Bundestags, in der er in der kommenden Woche den Holodomor als Völkermord anerkennen will, erstmals von diesem Verbrechen: Fast vier Millionen Ukrainer sind in den Jahren 1932/33 in einer von Stalin herbeigeführten Hungersnot umgekommen. Das Ausmaß dieser Katastrophe steht in einem krassen Gegensatz zu ihrer geringen Bekanntheit im Westen Europas. Das ist bezeichnend: Die Geschichte Osteuropas ist auch mehr als dreißig Jahre nach dem Ende des Eisernen Vorhangs nicht wirklich in dem Teil des Kontinents angekommen, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg frei entwickeln konnte und deshalb in der EU bis heute wirtschaftlich, politisch und kulturell tonangebend ist.
Das hatte schlimme politische Folgen. Fehlendes Wissen war ein wesentlicher Grund dafür, dass in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern große Teile von Politik und Gesellschaft lange nicht erkannt haben, welche Gefahren vom Regime Wladimir Putins ausgingen. Dessen Ansprüche konnte man aus seiner Geschichtspolitik ablesen. Doch die Mehrzahl der Westeuropäer war nicht in der Lage, die imperialen und stalinistischen Narrative des Kremls in jener weichgespülten Version zu erkennen, in der er sie nach Westen getragen hat.
Die Holodomor-Resolution des Bundestags ist deshalb ein wichtiges politisches Signal: Sie ist ein Zeichen der Solidarität mit den Ukrainern und eine Aufforderung an die Deutschen, ihren Blick nach Osten zu weiten – auch wegen der zum Teil noch immer wenig bekannten nationalsozialistischen Verbrechen dort. Moskau wird empört auf die Holodomor-Resolution reagieren – für Westeuropäer mit der Begründung, nicht nur Ukrainer, sondern auch Russen seien damals den Hungertod gestorben. Das stimmt. Aber der wahre Grund, warum Moskau das Gedenken an den Holodomor ablehnt, zeigt sich an der Verfolgung jener Russen, die die Verbrechen des Stalinismus in Russland aufarbeiten wollen.