Ukraine : Zurück zum Mutterland
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Auf der Krim feierte Anfang der neunziger Jahre eine starke Bewegung für den Anschluss an Russland bei Wahlen Triumphe - und war trotzdem zu schwach, um sich zu behaupten. Aber ihre Geschichte spielt in diesem Frühjahr eine große Rolle.
Als das Parlament der Krim Ende Februar das Referendum über den Anschluss der Halbinsel an Russland anberaumte und Sergej Aksjonow von der Partei „Russische Einheit“ zum Ministerpräsidenten wählte, war das nicht das erste Mal, dass prorussische „Separatisten“ auf der Krim die Macht übernahmen. Schon unmittelbar nach dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der neunziger Jahre gab es Kräfte, die die Krim zu einem Teil Russlands machen wollten. Gleich nachdem sich die Ukraine im August 1991 für unabhängig erklärt hatte, gründeten prorussische Aktivisten in Simferopol und in anderen Städten der Krim Organisationen, hielten Kundgebungen ab und sammelten Unterschriften für ein Unabhängigkeitsreferendum. 1994 gewannen die russischen Nationalisten gar die Parlaments- und Präsidentenwahlen auf der Krim. Doch kurz nachdem sie die Macht erobert hatte, zerfiel diese Bewegung wieder. Interne Machtkämpfe, eine tiefe Wirtschaftskrise, mangelnde Unterstützung aus Russland und eine geschickte Politik der ukrainischen Regierung ließen sie scheitern. Doch einige Überbleibsel und Kontinuitäten von damals haben dazu beigetragen, dass Russland die Krim im vergangenen Monat annektieren konnte.
Der Streit über den Status der Krim begann vor dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion. Ende der achtziger Jahre, als noch offen war, wohin die Reformen der Perestrojka führen würden, versuchten regionale Machthaber in allen Teilen der Sowjetunion, die von ihnen kontrollierten Verwaltungseinheiten rechtlich aufzuwerten. Die Krim war ein einfaches „Gebiet“ (Oblast) in der Ukrainischen Sowjetrepublik, und das wollten viele ändern. Auch die Zugehörigkeit der Halbinsel zur Ukraine wurde damals in Frage gestellt - schließlich war die Krim erst 1954 per Federstrich von der Russischen Sowjetrepublik auf die Ukrainische übertragen worden. Diese Debatten mündeten in ein Autonomiereferendum im Januar 1991: Mehr als 90 Prozent der Wähler beantworteten die Frage „Sind Sie für die Wiedererrichtung der Autonomen Sozialistischen Republik Krim als Subjekt der UdSSR?“ mit Ja.
Die unklar formulierte Frage sorgte in der Folgezeit immer wieder für Streit darüber, was 1991 eigentlich genau beschlossen worden war: eine Autonome Republik in der Sowjetunion - innerhalb oder außerhalb der Ukraine? Und was bedeutete das Ende der Sowjetunion für die Gültigkeit der Abstimmung? Das Parlament der gerade unabhängig gewordenen Ukraine beschloss, eine Autonome Republik Krim innerhalb der Ukraine anzuerkennen. Bis heute erhalten sind aus dem 1991 abgehaltenen Referendum die Institutionen der Autonomie: Aus dem einfachen Bezirksparlament war das Parlament einer Autonomen Republik geworden - jene Institution, in der im März die entscheidenden legislativen Schritte zum Anschluss der Krim an Russland unternommen wurden.
Eine starke prorussische Bewegung bildete sich erst nach dem Zerfall der Sowjetunion: Das Ende der UdSSR machte die Frage, zu wem die Ukraine gehöre, für die nach Moskau orientierten Kräfte zu einem brennenden Thema. Aus politischen Strömungen, die für den Erhalt der Sowjetunion und für eine Autonomie der Krim innerhalb der Sowjetunion gekämpft hatten, entstand so ein prorussischer Separatismus. Aktivisten warben für die Abhaltung eines weiteren Referendums auf der Krim. Die Führung der Autonomen Republik, die aus den alten Parteikadern bestand, suchte dagegen ihren Platz in der neuen Ukraine. Sie stritt zwar mit der Regierung in Kiew über Kompetenzen und verabschiedete 1992 eine Verfassung, die mit weitgehenden Autonomierechten den Ansprüchen des jungen ukrainischen Staates entgegenstand. Letztlich war diese Führung aber zu einem Kompromiss mit der ukrainischen Regierung bereit und zog den Verfassungsentwurf zurück.