Theodor-Heuss-Preis für Cohn-Bendit : Dany im Kinderladen
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Cohn-Bendit hat sich nie um uns gekümmert, für die Opfer seiner Superschule hat er die Stimme nie erhoben.“ Und Glauben schenken ihm die ehemaligen Schüler auch nicht. Dass Cohn-Bendit die Kinder, die ihn berührten, nicht gestreichelt habe, dass das alles Fiktion sei, sehen sie ganz anders: „Diese Praxis entsprach sehr dem damaligen, insbesondere auch grünen Kinderladen-Zeitgeist!“, erklärte der Opferhilfeverein „Glasbrechen“ empört.
Der Vorwurf, dass er sich nie um die Missbrauchsopfer seiner Odenwaldschule gekümmert habe, lässt sich nicht wegreden. Er trifft Cohn-Bendit im Mark - denn es geht an dieser Stelle um seine Existenz. Mit 13 Jahren verließ er Paris, „ich weinte drei Tage lang“. In Deutschland wird der Pariser Gymnasiast Schüler des Odenwald-Internats, „die einzige Schule, die mich genommen hat“. Ein Jahr danach stirbt sein Vater, wieder drei Jahre danach „starb auch meine Mutter“ - er sagt es, ohne den Satz wirklich zu Ende zu bringen. Denn jetzt bricht er in Tränen aus. „Für mich als Waisen war diese Schule die Heimat. Als ich hörte, was hier geschehen ist, war ich entsetzt. Aber ich war gelähmt. Ich war unfähig, meine eigene Kindheit zu löschen.“
Lehrer versuchten damals Grenzüberschreitungen
Die Schüler der Odenwaldschule tun sich aber noch aus einem anderen Grund schwer mit Cohn-Bendit. Weil er den damals Herrschenden beisprang: In den Siebzigern und Achtzigern hatte dort Gerold Becker mit einem Kleeblatt pädosexueller Lehrer die Macht inne. Cohn-Bendit beteuert, nicht geahnt zu haben, was an der Schule geschah - dass den Päderasten in diesen Jahren mehr als 100 Schüler zum Opfer fielen. „Davon hatte ich keinen Schimmer“, versicherte er der F.A.S. An der Schule herrschte eine allgemein promiske Atmosphäre, das Reforminternat war ein Hort der Wilhelm Reich’schen Befreiungs-Sexologie. Lehrer mit anderen Auffassungen taten sich schwer, gegen diesen OSO-Geist anzukommen.
Einmal wollte eine Gruppe von Lehrern in der Konferenz der Odenwaldschule über das heikle Thema sprechen: das Zusammenleben an der Schule und die Sexualität. Sie verlangten deutliche Grenzziehungen zwischen Lehrern und Schülern - und auch unter den Schüler. Gerold Becker, der Schulleiter, nahm den Ball fix auf, indem er sich einen prominenten und beliebten Exschüler als Helfer einlud: Daniel Cohn-Bendit. Der kam, wie Zeitzeugen berichten, mit einem kleinen Harem weiblicher Groupies an die Schule.
Er sprach über die Sexualität Jugendlicher - in die sich Erwachsene grundsätzlich nicht regulierend einzumischen hätten. Die Becker-Fans johlten. Die Lehrer, die einen pädagogischen Diskurs beginnen wollten, sahen sich bloßgestellt. „Becker hat es gefallen, die Lehrerschaft zu spalten und gegeneinander auszuspielen“, berichtet Salman Ansari, ein Lehrer, der damals versuchte, gegen die ständigen Grenzüberschreitungen anzugehen. Ansari sagt: „Cohn-Bendit hat, ohne es zu wissen, uns das Leben an der Schule schwerer gemacht.“
Und es ist fraglich, ob sich das ändert. Die Debatte um den Missbrauch und seine zweideutigen Aussagen, so sagte Cohn-Bendit gerade einer Zeitung, sei irrational. „Und ich werde es nicht schaffen, sie zu rationalisieren.“ Wäre er dafür der Richtige?