Organspende : Tote Helden
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Die Transplantationsmedizin ist in der Vertrauenskrise. Sie hat sich selbst überhöht und grundlegende ethische Fragen nicht ausreichend beachtet.
Die Zahl der Organspenden ist in Deutschland als Folge der Transplantationsskandale stark zurückgegangen. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation meldet für das erste Quartal des Jahres 2013 einen Rückgang von mehr als 18 Prozent. So wenige Organe wurden seit mehr als zehn Jahre nicht mehr transplantiert. Gegenwärtig wird über mehrere Vorschläge kontrovers diskutiert, wie diese schwierige Situation verbessert werden kann.
Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin haben unter Einbeziehung der Kinderheilkunde eine neue „Task Force Transplantationsmedizin“ gegründet, um aus eigener Initiative und fachlicher Verantwortung unabhängig von den Gremien der Bundesärztekammer Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie macht die große Zahl von Transplantationszentren und die daraus entstehende Konkurrenzsituation für die Fehlentwicklungen verantwortlich und fordert eine schnelle Reduzierung der Zentren um etwa ein Drittel. Andere Fachleute aus Medizin und Verwaltung kritisieren die Zersplitterung der Zuständigkeiten in der Transplantationsmedizin. Nach ihrer Vorstellung soll ein unabhängiges Institut in Trägerschaft des Bundes an die Stelle verschiedener Organe der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen treten.
Der Streit über Qualität, Transparenz und institutionelle Zuständigkeiten ist wichtig. Aber er stößt dort an seine Grenze, wo die ethischen und anthropologischen Fragen, die der Krise zugrunde liegen, ausgeblendet werden. Wie aber kann in einem sensiblen Bereich wie der Transplantationsmedizin, in dem es um Leben und Tod sowohl auf der Spender- wie auch der Empfängerseite geht, verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden, wenn über die zugrundeliegenden Wert- und Kulturfragen nicht diskutiert wird? Der aktuellen politischen Debatte mangelt es an einer medizinethischen Perspektive.
Im Gegensatz zu vielen Feldern des Gesundheitswesens ist die Transplantationsmedizin in Deutschland sehr gut ausgestattet. Es gibt eine große Zahl von Transplantationszentren. Transplantationsmedizinische Leistungen werden von den Krankenkassen gut honoriert, so dass dieser Bereich für die Krankenhäuser ökonomisch sehr attraktiv ist. Die Politik hat die Transplantationsmedizin als erfolgreichen Prototyp moderner Hightech-Medizin über Jahrzehnte hinweg bevorzugt gefördert. Auch die auf diesem Feld tätigen Ärzte genießen ein hohes Einkommen, was in einigen Kliniken durch Bonus-Vereinbarungen für Transplantationen gesteigert werden konnte. Mindestens genauso wirkmächtig war in der Transplantationschirurgie das hohe Ansehen der Ärzte, die in einem „Elitebereich“ der modernen Medizin arbeiteten, Macht und Karrieremöglichkeiten eingeschlossen. In kaum einer anderen Disziplin hatten Ärzte ein größeres Ansehen, genossen ein stärkeres Interesse der Medien, und sie konnten sich in öffentlicher Bewunderung sonnen.