Islamische Welt : Die Wende
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Nach dem Junikrieg des Jahres 1967, dem „Sechstagekrieg“, veröffentlichte der libanesische Intellektuelle Salah al Munadschid einen Essay, dessen deutsche Fassung den Titel „Wohin treibt die arabische Welt?“ trug. Es war ein Werk der Panik und der Verzweiflung. In nur wenigen Tagen waren die Araber, allen voran die Ägypter und die Syrer, in diesem Jahr von dem kleinen Israel vernichtend geschlagen worden. Al Munadschid, dessen Buch von Harald Vocke - zu jener Zeit Nahost-Korrespondent der F.A.Z. - ins Deutsche übertragen worden war, warf seinen Landsleuten vor, sie seien Götzendiener geworden; ihr Tanz um das Goldene Kalb des arabischen Nationalismus sei vom Gegner bestraft worden. Nur die Rückkehr zu einem authentischen Islam, zur angestammten Frömmigkeit und Glaubensstärke, kurz: zu den alten Tugenden und dem geistigen Kern der eigenen Kultur könne die arabische Welt wieder stark machen.
Heute weiß man, dass jene Bewegung, die man den zeitgenössischen Islamismus nennt, exakt zu jenem Zeitpunkt wieder an Boden zu gewinnen begann, da Munadschid publizierte. Die Araber vor allem begannen sich allmählich von jenen säkularen, „völkischen“ Ideen zu verabschieden, die insbesondere die Jahrzehnte der Befreiung von der Kolonialherrschaft der Franzosen und Briten geprägt hatten - allerdings nie ohne eine starke islamische Komponente. Man wurde wieder fromm, auch offiziell. In Saudi-Arabien begann der als tiefgläubig bekannte König Faisal alles Islamische auch außerhalb seines Riesenreiches zu fördern, die wachsenden Öleinnahmen setzten ihn - er wurde 1975 gleichwohl von einem Prinzen aus der eigenen Familie ermordet - und seine Nachfolger in die Lage, großzügig überall in der islamischen Welt Moscheen und Medresen zu bauen, Schulen und andere Institutionen zu errichten. Natürlich förderten die Sauds vor allem den Wahhabismus, jene gestrenge, freudlose Lehre, die sie zur Staatsräson erklärt hatten und die weitgehend ungeschmälert bis heute in ihrem Reich gilt.
Zusammenhänge jenseits der aktuellen politischen Lage
Dennoch ereignete sich die islamische Revolution anderswo: ausgerechnet bei den Schiiten, die seit Jahrhunderten mit den Sunniten rivalisierten, aber von diesen mehr und mehr unterdrückt worden waren. Schon seit Beginn der sechziger Jahre gab es in Iran ein Aufbegehren gegen den Schah, indem eine lose Allianz von nationalistischen, marxistischen und religiös-schiitischen Strömungen Widerstand leistete. Ideologisch standen sie sich fern, waren sich teilweise sogar spinnefeind, doch geeint wurden sie durch die Ablehnung der Schah-Herrschaft und deren enge politische wie wirtschaftliche Verfugung mit Amerika.