Die Gelbe Gefahr 2.0
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Weder neu noch originell: Entwurf einer Statue mit antichinesischen Stereotypen (1881) Bild: mauritius images / Alamy / History and Art Collection
Gefahr oder Erlösung? Seit mehr als hundert Jahren changiert das Bild, das man sich in der westlichen Welt von dem gewaltigen „Reich der Mitte“ macht. Woran liegt es, wenn die Perspektiven immer wieder wechseln?
Wer kennt nicht die Freiheitsstatue, die die Besucher in New York schon von fern begrüßt? Kaum mehr bekannt ist hingegen ihr Pendant in San Francisco an der Westküste: „Die Statue für unseren Hafen“. Sie gab es allerdings nur als Skizze: Die kolorierte Zeichnung erschien 1881, angefertigt von George Keller, einem Einwanderer aus Preußen. Die Statue trägt weder die Unabhängigkeitserklärung im Arm, noch heißt sie die Ankömmlinge willkommen. Ganz im Gegenteil: Sie zeigt einen chinesischen „Kuli“ mit langem Zopf und zerrissenen Kleidern. Zu seinen Füßen nicht die zerbrochenen Ketten der Unterdrückung, sondern ein Heer von dreckigen, ansteckenden Ratten. Die fremdenfeindlichen Parolen, mit denen damals in Kalifornien Stimmung gegen die chinesischen Einwanderer gemacht wurde, griffen stets auf ein Vokabular der Bazillen, der Übertragung von Krankheiten, der Ausbreitung von Epidemien zurück. Auch in Kellers Karikatur zeigt die Fackel nicht den Weg in die Freiheit, sondern kündigt Unheil an: „Schmutz“, „Sittenlosigkeit“ und „Krankheit“.
Als der amerikanische Präsident Donald Trump im März 2020 die Ausbreitung der Corona-Epidemie als „China Virus“ bezeichnete, war das mithin weder neu noch originell. Trump bediente sich einer Bildersprache und Assoziationsketten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Er war auch keineswegs der Einzige. In vielen Ländern wurden antichinesische Stereotype wieder abgerufen und fanden ungefiltert Eingang in die öffentliche Debatte. In Deutschland brachte der Spiegel die Ressentiments mit seinem Titelbild – „Corona-Virus: Made in China“ – auf den unrühmlichen Punkt.
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