Blasphemie-Verbot : Eine Schere im Kopf?
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Zu ähnlichen Gewaltakten in einigen Ländern – nicht aber in Deutschland – führte der Film „Maria und Joseph“ von Jean-Luc Godard (1984). Der „Osservatore Romano“ schrieb, der Film verletze zutiefst die religiösen Gefühle von Gläubigen und den Respekt für das Heilige und die Jungfrau Maria. Papst Johannes Paul II. erklärte seine geistige Verbundenheit mit den Protestierenden und erteilte ihnen den Apostolischen Segen.
Vorgeblich blasphemische Stücke gibt es aber auch in deutschen Satiremagazinen, im Fernsehen und im Theater. So erschien 2012, als der Vatikan von Enthüllungsskandalen erschüttert wurde, das Magazin „Titanic“ mit einem Titelbild, auf dem Papst Benedikt XVI. eine Soutane mit einem Urinfleck trug zu dem Titel: „Halleluja im Vatikan – Die undichte Stelle ist gefunden“. Und in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts löste Rolf Hochhuth mit seinem Theaterstück „Der Stellvertreter“, in dem die Rolle von Papst Pius XII. während der Judenvernichtung kritisch behandelt wurde, die bis dahin größte und weitreichendste Theaterdebatte der Bundesrepublik Deutschland aus und sorgte in mehreren europäischen Ländern für Tumulte. Vor einigen Jahren erregte in Hamburgs Thalia Theater „Golgota Picnic“ von Rodrigo García Aufsehen. In ihm wird die Person Christi ebenso wie auch die Kreuzigung verunglimpft. In Hamburg erstattete die Pius-Bruderschaft Strafanzeige wegen „Volksverhetzung, Blasphemie und Pornographie“.
Strafrechtliche Folgen blieben allerdings aus – anders als vor mehr als hundert Jahren, als etwa der Theaterautor Oskar Panizza („Das Liebeskonzil“, 1894) zu einer Zuchthausstrafe verurteilt wurde. Der Prozess wegen dieses Stückes wurde Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts zum Gegenstand eines gleichnamigen Films, dessen Beschlagnahme in Österreich nicht nur von den nationalen Gerichten, sondern auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt wurde.
Lassen sich diese Konflikte vermeiden, wenn das Recht stärker vor Diskriminierung und Herabsetzung religiöser Überzeugungen schützt? Ist der Staat etwa zu deren Schutz verpflichtet?
Nur wenig Schutz bietet offensichtlich der alte Blasphemie-Paragraph 166 des Strafgesetzbuches, der bis 1969 „die Lästerung Gottes“ unter Strafe stellte. Seitdem soll nicht mehr Gott, sondern der öffentliche Friede gegenüber Beschimpfungen von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften geschützt werden. Allerdings sind sich die Strafrechtler darüber einig, dass die praktische Bedeutung dieser Norm gering ist und ein ernstzunehmender strafrechtlicher Schutz religiöser Überzeugungen in Deutschland nicht mehr existiert. Gleichwohl bleibt zu fragen: Verdienen die in ihren religiösen Gefühlen berührten Gläubige nicht den Schutz der Rechtsordnung?