Deutsche Dschihadisten in Syrien : Sarah zieht in den Krieg
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Bild: F.A.Z.
Eine Gymnasiastin aus Konstanz reist mit 15 Jahren nach Syrien. In einem Lager lernt sie schießen, bekennt sich zu Al Quaida und der Terrormiliz ISIS. Kurz vor ihrem 16. Geburtstag heiratet sie - einen Extremisten aus Köln.
Von der Fassade blicken Goethe und Humboldt auf den Pausenhof, über der Schuluhr prangt die Jahreszahl 1903. Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Konstanz ist ein altehrwürdiges Haus, idyllisch am Rhein gelegen. Drinnen verweisen Plakate auf die Proben von Orchestern, Chören und einer Jazz-Band, es gibt eine Theater- und eine Salsa-AG, in den Pausen spielen die Schüler Tischtennis, Kicker und Fußball. Auf der anderen Seite des Flusses liegen Boote der Schule, auf den Vierer mit Steuermann ist man stolz. Am jüngsten Informationstag kamen viel mehr Eltern und Schüler als erwartet. Das Gymnasium ist eine der beliebtesten Schulen der Stadt am Bodensee.
Mehr als fünf Jahre besuchte Sarah O. diese Schule. Anfang November 2013, nach den Herbstferien, kam das 15 Jahre alte Mädchen aus der zehnten Klasse nicht wieder. Ihr Vater erschien aufgelöst bei der Schulleitung. Er hatte Sarah bei der Polizei als vermisst gemeldet. Zwei Tage zuvor war die Polizei noch bei ihm gewesen. Sie hatte einen Hinweis, dass die Tochter nach Syrien reisen könnte. Der Vater sagte, das könne nicht sein. Am nächsten Tag, es war Reformationstag, der 31. Oktober 2013, fuhr er zur Arbeit. Als er am Abend nach Hause kam, war Sarah weg. Sie war nach Syrien gereist, in den Dschihad, den Heiligen Krieg.
Ihre Freundinnen bekamen bald Nachricht von ihr – über Whats-app, Facebook und andere soziale Netzwerke. Ein Foto zeigte sie in ihrem langen lila Gewand, verschleiert und mit schwarzen Handschuhen. Sie hielt eine Maschinenpistole im Anschlag. Über ihren Tagesablauf schrieb sie: „Schlafen, Essen, Schießen, Lernen, Vorträge anhören.“ Mitte November schickte sie ein Foto, das eine Pistole zeigt, die auf ihrem Handschuh glänzt. „Meine neue Perle“, schrieb sie. Eine Nachricht lautete: „Bin jetzt übrigens bei Al Qaida.“
„Jeder muss mal sterben“
Viele ihrer Freundinnen waren schockiert. Sie kamen nicht zurecht damit, dass Sarah nun eine Kriegerin sein sollte. Ob sie nicht Angst habe zu sterben, fragten sie. „Jeder muss mal sterben. Das diesseitige Leben ist nur ein trügerischer Genuss“, antwortete Sarah. Ihre ehemaligen Mitschülerinnen verurteilte sie wegen deren Unglaubens. „Ihr könnt noch so gute Menschen sein, der Unglaube zerstört diese Taten.“ Sarah hatte ihre Ausreise sorgfältig vorbereitet. Ihrem Vater hatte sie heimlich den Pass entwendet und ihn kopiert. Auf die Kopie schrieb sie eine Vollmacht des Vaters. Er sei einverstanden, dass sie verreise. Damit kaufte sie im Reisebüro ein Ticket für 216 Euro. Nach Istanbul mit Weiterflug nach Gaziantep.
Die türkische Stadt liegt 50 Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt. Sarah fuhr nach Erkenntnissen der Behörden allein von Konstanz zum Flughafen nach Stuttgart und flog los. Eigentlich verbietet es der Islam Frauen, ohne einen engen Verwandten zu reisen. Doch für die Reise in den Krieg gelten den Dschihadisten andere Regeln. Sarahs Handy wurde einige Tagen nach dem Flug nahe der syrischen Stadt Aleppo geortet. Dort befinden sich Lager, in denen sich zahlreiche Dschihad-Krieger aus Deutschland aufhalten. Dort wird Sarah auch heute vermutet.