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Gastbeitrag : Raus aus der Berliner Blase!

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Wer zu diesen Themen Fragen hat und mitdiskutieren möchte, muss dazu auch Angebote finden, sich mit Experten, Politikern und Beamten zu ihnen auseinanderzusetzen. Denkfabriken könnten hier viel stärker mit Institutionen der politischen Bildung kooperieren, um von der Schule über den Stammtisch bis ins Altersheim einen stärkeren außenpolitischen Dialog anzubieten. Institutionen wie die Landeszentralen für politische Bildung oder die Länder­büros der politischen Stiftungen sind lokal vernetzt und haben genau den Auftrag und das Know-How, Menschen in den politischen Dialog zu bringen. Aber ihre Arbeit lebt auch davon, dass motivierte Expertinnen vorbeikommen und anschaulich von ihrer Arbeit erzählen. Dabei könnten die Experten gleich ihre Bekannten mitbringen – etwa den französischen oder die polnische Wissenschaftlerin. Denn um aus der ständigen Binnensicht auf Deutschland hierzulande rauszukommen, müssen wir auch stärker Perspektiven von unseren europäischen Nachbarn in den Dialog einbeziehen.

Für mehr Dialog und Diskussionen sollten Denkfabriken, Experten sowie Institutionen der politischen Bildung stärker mit neuen Formaten und Kanälen experimentieren, um mehr Menschen und neue Zielgruppen zu erreichen. Im Moment setzen gerade Denkfabriken für öffentliche Veranstaltungen immer wieder auf das gleiche alte Format: Eine Podiumsdiskussion, bei der meist überwiegend männliche Experten solange reden bis keine Zeit mehr für Diskussionen bleibt. Dabei gäbe es so viele neue Formate, mit denen  experimentieren könnten: Wer in Bürgerkonferenzen in Kleingruppenformaten mit einer Expertin debattiert, geht mit mehr Wissen und zufriedener nach Hause als wenn er sich einen langen Vortrag angehört hat. Wer in Simulationskonferenzen Dilemmata von Außenpolitik nachvollzieht, hat danach ein größeres Verständnis für den echten Entscheidungsdruck von Politik. Um den außenpolitischen Dialog zu stärken, sollten Experten öfter mal mit Podcastern sprechen oder auch mal das eigene Audio-oder Video-Format starten. Sie könnten für eine Veranstaltung mit Live-Stream mit einem Youtube-Star kooperieren oder mit neuen Online-Tools mit ganz anderen Menschen online Ideen sammeln und offline-Formate mit Diskussionen online verbinden.

Neue Formate und Orte, mehr gegenseitiges Zuhören, besser kommunizieren, kontroverser streiten. Es gäbe viele Möglichkeiten, die öffentliche Debatte zu Außenpolitik in Deutschland zu stärken. Dafür müsste die außenpolitische Community in Deutschland nicht nur „mehr Erklären“, sondern wirklichen gesellschaftlichen Dialog suchen und ihr eigenes Selbstverständnis überdenken. Die etablierten außenpolitischen Denkfabriken sollten sich nicht nur als Scharnier zwischen Wissenschaft und Politik verstehen, sondern eben auch als Scharnier zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Wenn wir uns im nächsten Wahlkampf um außenpolitische Visionen und Ziele, um die Werte und Interessen streiten, die uns leiten sollen, dann wären wir einen entscheidenden Schritt weitergekommen in der deutschen Außenpolitik.

Die Autorin, Sarah Brockmeier, ist Projektmanagerin beim Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin.

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