Der „Atlantik-Wall“ : Einer der größten Fehler der Kriegsgeschichte
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Den D-Day verschlief Hitler auf dem Obersalzberg und keiner wagte ihn zu wecken. Der „Atlantik-Wall“ erwies sich als vollkommen nutzlos. Die „Festung Europa“ fiel.
Seit Frühjahr 1944 griffen amerikanische und britische Flugzeuge von Südengland aus das nordfranzösische Eisenbahnnetz sowie die Brücken über die Seine und die Loire an. Sie warfen insgesamt 200.000 Tonnen Bombenlast zur Vorbereitung von „Neptune“ ab, der Angriffsphase der „Operation Overlord“. Am 6. Juni 1944 eröffneten dann Luftlandeeinheiten gegen 1.30 Uhr den Kampf. Ihnen folgte gegen 5.50 Uhr ein gewaltiger Feuerschlag der Deckungsflotte - darunter sieben Schlachtschiffe, 23 Kreuzer und 105 Zerstörer -, ehe um 6.30 Uhr die erste Welle der Truppen auf Landungsbooten in der Normandie an das Ufer kam.
Am Ende des Tages, um 24 Uhr, nahmen 155.000 Mann mit 16.000 Kraftfahrzeugen vier der fünf geplanten fünf Landungsköpfe - „Utah“, „Gold“, „Juno“ und „Sword“ - ein. Die Alliierten verfügten insgesamt über 86 Divisionen, 1213 Kriegsschiffe, 4126 Transportflugzeuge, 5112 Bomben-, 5409 Jagd- und 2316 Transportflugzeuge. Insgesamt flogen sie bei absoluter Lufthoheit allein am „D-Day“ (D soll für „decision“ gestanden haben) 14.647 Einsätze. Als „Neptune“ am 30. Juni 1944 offiziell endete, befanden sich bereits 850.279 Soldaten auf dem Festland. Die Zahl stieg bis Ende Juli sogar auf 1.566.000 an.
Die überraschten Deutschen
Die deutschen Verteidiger in ihren Küstenbefestigungen wurden von den Ereignissen überrascht. Noch am Vorabend des 6. Juni hatte der Oberbefehlshaber West (OB West), Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt, die militärische Lage wie folgt beurteilt: „Ein unmittelbares Bevorstehen der ,Invasion' ist noch nicht erkennbar.“
Immerhin hatte der Rundstedt unmittelbar unterstellte Oberbefehlshaber der Heeresgruppe B, Generalfeldmarschall Erwin Rommel, schon Ende April 1944 gegenüber seinem Ordonnanzoffizier die bevorstehenden Gefahren erkannt: „Glauben Sie mir, Lang, die ersten vierundzwanzig Stunden der Invasion sind die entscheidenden; von ihnen hängt das Schicksal Deutschlands ab . . . Für die Alliierten und für Deutschland wird es der längste Tag sein.“ Am „D-Day“ befand er sich dann auf Heimaturlaub.
Meinungsverschiedenheiten über den Tag X
Vor der alliierten Landung hatten Rundstedt und Rommel große Meinungsverschiedenheiten ausgetragen über die deutsche Abwehr am Tag X. Für den agilen Truppenführer Rommel gab es nur eine einzige Chance: die Alliierten noch am Strand zu stoppen und am ersten Tag ins Meer zurückzuwerfen. Bis zum Invasionstag hatte die Wehrmacht 12.247 der geplanten Verteidigungsanlagen fertig, 500.000 Vorstrandhindernisse und 6,5 Millionen Minen verlegt.
So sollte der Mangel an Personal und modernen Waffen - eine Folge des verlustreichen rassenideologischen Vernichtungskrieges im Osten - einigermaßen ausgeglichen werden. Einen kleinen Schönheitsfehler hatte Rommels Konzeption: Er war auf eine Landung zwischen Le Havre und Dünkirchen fixiert und hatte dementsprechend den dortigen Bereich besonders verstärkt. Demgegenüber hielt Rundstedt starre Befestigungsanlagen überhaupt für nutzlos und konnte sich bei Hitler damit durchsetzen, starke Panzerkräfte im Innern Frankreichs zurückzuhalten für eventuelle Gegenangriffe.
Hitler verschlief auf dem Obersalzberg
Den Vormittag des 6. Juni verschlief Hitler auf dem Obersalzberg, weil es niemand wagte, ihn zu wecken. Erst am Nachmittag wurde ihm bewußt, daß die Entscheidungsschlacht im Westen begonnen hatte.
Weil man im Oberkommando der Wehrmacht aber nach wie vor glauben wollte, daß es sich nur um eine Nebenoperation beziehungsweise um ein „Täuschungsmanöver“ handele und die Hauptlandung an der Straße von Dover stattfinden würde, wurden die sechs Divisionen umfassenden Panzerreserven, die sich nur auf Hitlers ausdrücklichen Befehl von der Stelle rühren durften, nicht in Bewegung gesetzt.
Die „Festung Europa“ fällt
Der „Atlantikwall“ - die größten Befestigungsanlagen in der Geschichte, bei dem 17,3 Millionen Tonnen Beton und 1,2 Millionen Tonnen Stahl in 12 000 Bunkeranlagen und Geschützständen verbaut wurden - war dort am stärksten, wo nie ein alliierter Soldat an Land ging: an der engsten Stelle des Kanals im Pas de Calais. Überhaupt war die angebliche „Festung Europa“ nur bei den Häfen wirklich unüberwindbar, während die Deutschen schlecht darauf vorbereitet waren, daß die Alliierten an offenen Stränden eindrangen.