Demographie : Kinderlose Akademikerinnen?
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In der Diskussion über die „demographische Katastrophe“ spielen die statistischen Feinheiten meistens eine untergeordnete Rolle. Das Thema ist en vogue, fast jeden Monat werden neue Expertengruppen eingesetzt, kürzlich berief der sächsische Ministerpräsident Milbradt (CDU) eine Kommission ein, die Robert-Bosch-Stiftung ebenfalls.
In der Tradition des „deutschen Alarmismus“ wird auch bei der Demographie manchmal übertrieben. Immer wieder behaupten Politiker, bis zu sechzig Prozent der akademisch gebildeten Frauen blieben kinderlos. Zumindest diese Aussage ist unter Wissenschaftlern umstritten. Sicher, Übertreibung macht anschaulich, gleichwohl mahnen Wissenschaftler, demographische Zukunftsanalysen künftig auf einer verläßlicheren Datenbasis zu treffen.
Ohne biographisches Element
„Aussagen über die zukünftige demographische Entwicklung sind problematisch, weil es sich in erster Linie um Trend-Explorationen der momentanten Situation handelt. Ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zeigt aber, daß sich die Geburtenrate keineswegs so geradlinig entwickelt, wie dies in vielen der Vorhersagen für die Zukunft angenommen wird“, sagt Christian Schmitt, Wissenschaftler am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Vermutlich liegt die Zahl der Akademikerinnen, die kinderlos bleiben, deutlich unter vierzig Prozent. Denn die derzeit häufig genannten hohen Zahlen zur Kinderlosigkeit von Akademikerinnen basieren auf dem vom Statistischen Bundesamt erhobenen Mikrozensus. Sie sind aufgrund methodischer Schwierigkeiten unzuverlässig.
„Der Mikrozensus ist eine Querschnittserhebung, jedes Jahr werden andere Personen befragt“, sagt Schmitt. Betrachtet wird der Haushaltsvorstand; die Kinder werden automatisch der Frau zugerechnet. Kinder einer sechzig Jahre alten Frau, die nicht mehr im Haushalt leben, werden beim Mikrozensus nicht mitgezählt. Auch wird nicht berücksichtigt, daß eine im Alter von 25 Jahren befragte Frau noch mehr als zehn Jahre Zeit hat, Kinder zu bekommen. „Kinder, die für längere Zeit auf Auslandsaufenthalt oder im Krankenhaus sind, werden vom Mikrozensus nicht erfaßt“, sagt der Wissenschaftler am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung . Es fehle das biographische Element, denn der Lebensverlauf werde beim Mikrozensus nicht berücksichtigt.
Nicht ganz so dramatisch
Diese Schwächen hat das „Sozio-oekonomische Panel“ (SOEP) nicht, denn bei dieser repräsentativen Wiederholungsbefragung privater Haushalte werden die Lebensverläufe berücksichtigt - seit 1984 werden dieselben Personen befragt. Das SOEP, ein früher von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), heute von Bund und Ländern finanziertes Forschungsprojekt, kommt bei der Frage, wie groß die Zahl kinderloser Akademikerinnen ist, zu einem differenzierteren Ergebnis: Danach sind weniger als dreißig Prozent der Akademikerinnen kinderlos. Allerdings beruht dieses Ergebnis auf einer wesentlich geringeren Fallzahl als beim Mikrozensus.
„Die Unterschiede zwischen Akademikerinnen und Frauen mit Hauptschulabschluß sind wesentlich undramatischer“, sagt Schmitt. Die These, wonach der Anteil der sogenannten Unterschichtenkinder denjenigen der Kinder der akademischen Elite demnächst um ein Vielfaches übersteigen werde, läßt sich in der bekannten Dramatik nicht belegen.
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