„Das fünfte Schlachtfeld“ : Der Spion, der aus dem Cyberspace kam
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Forschung für das „fünfte Schlachtfeld”: Das Cooperative Cyber Defense Centre od Excellence der Nato in Tallinn Bild:
Die Epoche der Computerkriege hat längst begonnen. Die Nato stellt sich darauf ein. Aber die Angreifer sind kaum zu fassen, weil sie mühelos untertauchen.
Auf einer Höhe über der Bucht von Tallinn, wo es nach Sankt Petersburg noch 363 Kilometer sind und über das Meer nach Helsinki noch etwa 80, steht ein Schlagbaum im Schnee. Ein Posten hinter verspiegelter Scheibe prüft die Papiere, dann geht es hinauf zu einem von Eiszapfen verhängten Kasernenbau mit hölzernen Giebeln und soliden alten Mauern aus estnischem Kalkstein. „Fernmeldetruppen“, sagt der Posten, „seit 1905. Noch aus der Zeit der russischen Besatzung.“
In den 105 Jahren, die seither vergangen sind, hat sich einiges verändert. Das russische Reich ist nach zwei Weltkriegen und einem verlorenen „Kalten Krieg“ ostwärts zurückgewichen. Estland, das jahrhundertelang den Zaren gehört hat, ist unabhängig geworden. Seit 2004 gehört das kleinste und nördlichste der drei baltischen Länder nun zur Nato und zur EU. Wo früher die Fernmelder der Russen saßen, residiert seit 2008 eine Einrichtung, die mit den Kriegen der Vergangenheit wenig zu tun hat: das „Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence“ (CCDCOE) - ein Zentrum der Nato zur Erforschung jener Computerkriege, von denen ein weitverbreiteter Irrglaube immer noch meint, sie seien die „Kriege der Zukunft“.
Der Beginn virtuellen Angriffe
In Wahrheit hat die Epoche der „Cyberkriege“ längst begonnen, und das computerbegeisterte Estland war einer ihrer ersten Schauplätze. Im Jahr 2007 hatte die Spannung zwischen der estnischen Mehrheit im Land und der russischsprechenden Minderheit einen Höhepunkt erreicht. Die Regierung hatte verfügt, ein sowjetisches Kriegerdenkmal, das die Esten als Monument der „Besatzung“ empfanden, vom Stadtzentrum auf einen abseits gelegenen Friedhof zu versetzen. In der russischen Minderheit, welche die Sowjetsoldaten eher als Befreier vom „Faschismus“ sieht, rührte sich Widerstand. Es gab Unruhen - und außerdem einen der ersten koordinierten Computerangriffe auf einen souveränen Staat. Hacker, die bis heute nicht identifiziert sind, legten estnische Websites lahm, und die regierende „Reformpartei“ stellte fest, dass jemand ihren Internetauftritt manipuliert hatte. Im Jahr darauf gründeten sieben Nato-Staaten - Estland, Deutschland, Italien, Lettland, Litauen, die Slowakei und Spanien - das CCDCOE. Seither ist Ungarn hinzugekommen, Polen hat seinen Beitritt angekündigt, die Vereinigten Staaten und die Türkei führen Beitrittsverhandlungen.
Was aber tun die etwa 30 Mitarbeiter des Zentrums im nordischen Schnee? „Krieg wird heute mit Computern und Software ebenso geführt wie mit Panzern und Flugzeugen“, sagt Hauptmann Christian Czosseck, einer von zwei deutschen Offizieren beim CCDCOE. Die Fähigkeit zum computergestützten, vernetzten Waffeneinsatz sei heute ein sehr wichtiges Element militärischer Überlegenheit. Manche Fachleute gehen schon so weit, den „Cyberspace“ als das „fünfte Schlachtfeld“ moderner Kriege zu sehen - nach Boden, Luft, Meer und Weltraum. Wo aber Computer kriegsentscheidend werden, müssen Computer auch Angriffe überleben können - keine geringe Herausforderung, so Czosseck, denn eine Grundregel der Computertechnik sei bis heute noch nie außer Kraft gesetzt worden: „Jede Software hat Schwachstellen.“
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