CDU-Parteitag : Merkel verteidigt ihren Kurs
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Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Es ist Zeit für einen Durchbruch zu einem neuen Europa“ Bild: AFP
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Partei zur Bereitschaft zu Reformen aufgerufen. Der Parteitag stimmte am Montagabend für eine Lohnuntergrenze in Bereichen, in denen es keine Tarifverträge gibt.
Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hat ihre Partei auf Veränderungen in ihrer Programmatik eingeschworen und zur Bereitschaft zu Reformen aufgerufen. „Wir leben in Zeiten epochaler Veränderungen“, sagte Frau Merkel am Montag auf dem CDU-Parteitag in Leipzig. Entscheidend für die Antworten der Partei müsse dabei der „Kompass“ des christlichen Menschenbildes sein, nicht Antworten, „die vor 30 Jahren gegeben wurden“. Frau Merkel machte sich für die Einführung eines von Tarifpartnern auszuhandelnden Mindestlohns und für eine Vertiefung der europäischen Einigung stark. „Es ist Zeit für einen Durchbruch zu einem neuen Europa“, sagte sie. Frau Merkel warb in ihrer Partei um Unterstützung und Geschlossenheit. Das sei wichtig „in solchen schwierigen Zeiten, in denen wir jeden Tag ungewohnte Entscheidungen zu treffen haben“. Sie verteidigte die in der CDU umstrittenen Kursänderungen bei der Nutzung der Kernenergie und der Wehrpflicht. Die CDU verliere dabei weder Fundament noch Kompass.
Im Hinblick auf den Streit über den Mindestlohn sagte Frau Merkel, auch in Deutschland gebe es Unternehmen, die sich einen „Wettbewerb um die niedrigsten Löhne“ lieferten. Dies könne man nicht akzeptieren, deshalb sei sie froh, dass die CDU-Arbeitnehmerschaft dieses Thema aufgebracht habe. Es sei nicht vereinbar mit einer menschlichen Gesellschaft, wenn Menschen zwei oder drei Jobs hätten und davon trotzdem nicht leben könnten. Die Kanzlerin versicherte: „Niemand von uns möchte einen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn.“
Die CDU wolle vielmehr dort eine Lohnuntergrenze, wo es bislang keine tarifliche Untergrenze gebe. Sie sei überzeugt, dass so die Tarifautonomie als wesentlicher Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft gestärkt werden könne. Es sei Realität, dass längst nicht mehr so viele Beschäftigte wie früher nach Tariflöhnen bezahlt würden. Am Abend stimmte der Parteitag mit großer Mehrheit für einen solchen allgemeinen Mindestlohn. Nach Vorstellung der CDU soll es eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze für jene Branchen geben, in denen bisher keine Tarifverträge existieren.
Lohnhöhe soll sich an Branchenmindestlöhnen orientieren
Die Lohnhöhe soll eine Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften festlegen; sie soll sich dabei an den schon geltenden Branchenmindestlöhnen orientieren. Die Kommission soll aber Differenzierungen nach Regionen oder Branchen zulassen können. Gegen einen entsprechenden Antrag, der am Sonntag als Kompromiss zwischen Arbeitnehmer- und Wirtschaftsflügel ausgearbeitet worden war, stimmten nur vier Delegierte; es gab zudem acht Enthaltungen.
Der Vorsitzende des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, der auch CDU-Fraktionsvorsitzender im nordrhein-westfälischen Landtag ist, warb für die gefundene Lösung. „Am Ende des Tages“ werde sich die Kommission auf einen Stundenlohn einigen, der womöglich höher als der Zeitarbeitslohn liegen werde, der nach seiner Auffassung ursprünglich als Anknüpfungspunkt gelten sollte. Die Möglichkeit zu einer Differenzierung nach Regionen und Branchen sei ein Zugeständnis, das dazu dienen solle, dass auch der Wirtschaftsflügel einem Mindestlohn zustimmen könne, sagte Laumann. Ziel sei, dass es in Deutschland keine Löhne mehr geben dürfe, „für die man sich schämen muss“. Laumanns Rede wurde mit großem Beifall gefeiert, die danach folgende Debatte wurde auf Antrag abgebrochen, um vorzeitig abstimmen zu können.
Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier unterstützten den Kompromiss. Die vor allem vom Wirtschaftsflügel der Partei kritisierten Lohnuntergrenzen seien „weder eine Katastrophe noch ein Allheilmittel“, sagte von der Leyen. „Wohlstand für alle“ müsse „auf neuen Wegen“ erreicht werden. Auch der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU, Josef Schlarmann, zeigte sich mit dem Kompromiss zufrieden. Denn damit seien auch künftig differenzierte Lösungen nach Branchen und Tätigkeiten möglich. Schlarmann kritisierte die CDU-Spitze aber, weil sie das Thema überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt habe.
Der hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch wandte sich derweil auch auf dem Parteitag gegen Merkels Euro-Kurs. Er sagte, er sei für Europa und den Euro, aber Rettungsschirme wie der Rettungsfonds EFSF seien ökonomisch falsch. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble verteidigte die Euro-Rettungspläne der Bundesregierung. „Wenn wir eine gemeinsame europäische Währung wollen, müssen wir sie verteidigen“, sagte der Minister. Die Entwicklung in den Ländern Portugal und Irland, die Hilfen aus dem Rettungsfonds bekommen hätten, belege, dass die Systematik der EFSF funktioniere. Schäuble versicherte, eine Finanzierung durch die Europäische Zentralbank werde es nicht geben. Griechenland sei ein Sonderfall. Zu Forderungen nach einem Ausscheiden von Schuldenstaaten aus der Eurozone sagte Schäuble: „Wir werden keinen rauswerfen, keinen rausdrängen. Wer es nicht tragen kann, muss selbst für sich entscheiden, aber wir wollen Solidarität mit allen.“