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Bundeswehr : Invasion der Frauen

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Waffengleichheit für die Frau

Waffengleichheit für die Frau Bild: dpa

Vorbei die Zeiten, da sich Frauen nur in den Sanitätsdienst oder die Musikkorps vorkämpfen durften. Jets fliegen und Panzer fahren, statt Trompete spielen und Spritzen setzen: Das sind ihre neuen Aufgaben in der Bundeswehr. Die ersten 244 Frauen rücken am Dienstag in deutsche Kampfverbände ein.

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          Ist die Truppe vorbereitet auf die Invasion der Frauen? Im Verteidigungsministerium begegnet man Fragen nach der Besonderheit der Situation ausweichend: „Es ist ja nicht das Novum schlechthin“, heißt es ein wenig bemüht, „seit 1975 haben wir Frauen in der Bundeswehr, die haben alle die allgemeine Grundausbildung durchlaufen, wie die jungen Rekrutinnen, die nun eingestellt werden.“ Immerhin räumt eine Sprecherin ein, dass es wohl „spannend“ werde - spätestens, wenn die Frauen in einigen Wochen in ihre Stammeinheiten versetzt werden.

          Dann wird auch das Thema Sexualität eine heikle Rolle spielen - ein ungelöstes Problem, das die Bundeswehr ernst nimmt. In Marine, Heer und Luftwaffe wird es je eine Frauenbeauftragte geben. Deren Namen werden vorerst nicht preisgegeben, um die Frauen in Ruhe arbeiten zu lassen und sie vor der Neugier der Medien zu schützen. Der Verhaltenskodex, den Generalinspekteur Harald Kujat bis zum Jahresende erstellen wollte, ist noch nicht fertig. Wünschenswert ist er allemal, denn aus anderen Armeen, etwa aus Belgien oder den USA, ist bekannt, dass dort viele Frauen unerwünschte Berührungen, sexuelle Erpressung oder gar Gewalt beklagen.

          Männerfantasien, Männerängste

          Auch die Männer äußern Angst vor falschen Anschuldigungen. Zwar lässt sich von der Hardthöhe aus nicht in die Herzen deutscher Soldaten blicken, doch es geht nicht nur um dumpfe Triebe, sondern auch um den normalen alltäglichen Umgang miteinander. So galt es Fragen zu klären, ob denn der General seiner untergebenen Gefreiten die Tür aufhalten darf. Die Antwort ist gefunden: Ja, er darf. Aber natürlich wird es auch Soldaten geben, die, wie viele Zivilisten, eben keine Kavaliere sind.

          Nachhilfe befohlen

          Also wird Nachhilfe in Psychologie, Sitte und Anstand befohlen. An der nötigen Akribie hat es die Bundeswehr nicht fehlen lassen. Hat doch Rita Scholz-Villard, Frauenbeauftragte für die Zivilangestellen im Verteidigungsministerium, immer wieder festgestellt, bei der Bundeswehr träfen „Frauen von heute auf Männer von gestern“. Hunderte Soldaten, vor allem die Ausbilder der 244 jungen Frauen, die den Umgang mit Waffen lernen sollen, sind in Marsch gesetzt worden zu den Kursen am Zentrum für Innere Führung in Koblenz, um dort „Verhaltenssicherheit“ zu erlernen - „Gendertrainings“, Geschlechterschulungen, heißt das.

          Dort mussten die Männer unter anderem erkennen, dass es im Umgang mit den neuen Kameradinnen nicht ausreicht, Pin-Up-Poster von den Wänden zu nehmen. Stattdessen Referate über Frauen in anderen Streitkräften, physische und psychische Charakteristika des Wunders Frau. Außerdem galt es, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, der Vereinzelung der Frauen vorzubeugen. Die Ausbildungseinheiten wurden unter die Lupe genommen, aber keine besonderen Umbauten vorgenommen. Jeweils mehrere Frauen auf einer Stube, Toiletten- und Duschräume, die von Mann auf Frau umgewidmet wurden - das war´s dann auch schon.

          Gute Startbedingungen

          Die Startbedingungen für die ersten Jahrgänge der Frauen werden gut sein, urteilt das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr, das von einem revolutionärem Wandel durch den Einzug der Frauen spricht. Die Frauen werden eine hohe Aufmerksamkeit, Toleranz und Akzeptanz genießen, ihre Ausbilder optimal vorbereitet sein. Die Frauen wiederum seien sich dem Status bewusst und kompromissbereit, glauben die Sozialwissenschaftler.

          Neben vielen Skeptikern gibt es etliche Soldaten, die sich auf den Einzug der Frauen freuen. Der Ton könnte weniger ruppig werden, hoffen sie. Frauen seien häufig auch ehrgeiziger und kritischer als Männer. Einen „Frauenbonus“ werde es aber nicht geben. In den Spezialeinheiten wie etwa bei den Kampfschwimmern, müssen die Frauen dieselbe Leistung wie die Männer zeigen.

          Mehr Dialoge nötig

          Subtiler als Kraft und Ausdauer, die über Leben und Tod entscheiden können, wirken sich einstweilen Unterschiede in der Kommunikation von Frau und Mann aus. Scholz-Villard und das Zentrum Innere Führung haben beobachtet, dass Frauen durch Freundlichkeit und Überzeugung zu motivieren sind, weniger durch die pure Lautstärke donnernder Befehle. Weniger wichtig also, was gesagt wird, als wie es gemeint ist. Mehr Dialog, mehr Warum-Fragen. Das kann anstrengend sein. Was das für das System von Befehl und Gehorsam bedeutet, lässt sich nur erahnen.

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