Ausgang der Bundestagswahl : So stark beeinflussen Umfragen die Wähler
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CDU oder SPD? Oder doch eine ganz andere Partei? Viele Wähler sind immer noch unentschlossen. Bild: dpa
36 Prozent für die CDU, nur 25 für die SPD: Meinungsforschungsinstitute wollen die Bundestagswahl so präzise wie möglich vorhersagen. Ihre Prognosen können die Entscheidung der Wähler maßgeblich verändern. Wie genau?
Das internationale Meinungsforschungsinstitut YouGov hat am Dienstag sein neues Modell zur Berechnung von Wählerumfragen vorgestellt. Es soll die Stimmung im Land wesentlich exakter abbilden können, versprechen die Forscher. Bei der Wahl des britischen Unterhauses habe das schon gut funktioniert. YouGov befragt keine repräsentative Stichprobe, sondern kombiniert Umfrageergebnisse mit öffentlich zugänglichen Daten über die Bevölkerung der Wahlkreise. Das statistische Modell auf Basis einer Multilevel Regression mit Post-Stratifizierung untersucht Zusammenhänge zwischen der Wahlentscheidung einer Person und demografischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Bildung und Wohnort. Das Modell schätzt zum Beispiel wie wahrscheinlich es ist, dass ein 60 bis 64 Jahre alter Mann aus Köln mit Abitur und moderatem politischen Interesse, der 2013 die CDU gewählt, wieder die CDU oder eben eine andere Partei wählt. Berücksichtigend, wie stark die verschiedenen Wählertypen in jedem Wahlkreis vertreten sind, errechnet das Modell dann den wahrscheinlichen Wahlausgang.
Die Berechnungen des neuen Modells weicht nicht allzu sehr von der klassischen Sonntagsfrage ab. Für SPD und AfD sagt das Modell je zwei Prozentpunkte mehr hervor, Grüne und Linke verlieren je zwei. Der Vorteil der Methode ist aber, der Einbezug der Erststimmen in das Ergebnis. Das ermöglicht eine präzisere Schätzung der Sitzverteilung inklusive der Überhangmandate. Neu ist das Modell nicht, eine erste Veröffentlichung dazu gab es 1997, „aber in der Marktforschung etablieren sich solche Verfahren nur langsam“, erklärt ein YouGov-Sprecher.
Wenn die Sache schon gelaufen ist
Doch wie präzise können Wahlvorhersagen überhaupt sein? Im vergangenen Jahr gab es viele Zweifel an den Wahlforschern, sagten sie doch den Verbleib Großbritanniens in der EU und Hillary Clinton als erste amerikanische Präsidentin voraus. Das liegt unter anderem an methodischen Schwächen, wie der Nicht-Teilnahme bestimmter Bevölkerungsgruppen. Aber auch an einem anderen Aspekt: Umfragewerte können das Wahlverhalten beeinflussen.
„Wenn Wähler den Eindruck haben, die Sache sei schon gelaufen, kann das Effekte auf die Mobilisierung haben“, erklärt Carsten Reinemann, Inhaber des Lehrstuhls für Politische Kommunikation am Institut für Kommunikationswissenschaft der LMU München. „Dass die SPD ohne eigene Machtoption dasteht, sollte ihr eher schaden. Dass die Kanzlerschaft Merkels als weitgehend sicher gilt, könnte wiederum schlecht für die Mobilisierung der Unionswähler sein.“
Der eine oder andere könnte dann denken, da müsse er gar nicht erst hingehen – oder die Wahlentscheidung mit Blick auf die bevorzugte Koalition ändern. Gerade Unionswähler könnte dieses Gefühl der Sicherheit dazu verleiten, taktisch zu wählen, bei dieser Bundestagswahl zum Beispiel die FDP. „Solche eher komplizierten Gedanken macht sich aber nur ein Teil der Leute.“
Den größten Risikofaktor in den Vorhersagen macht für Reinemann die Gruppe der bis dato unentschlossenen Wähler aus. Laut der aktuellen Befragung von infratest dimap wissen 46 Prozent der Wähler noch nicht, wo sie ihr Kreuz machen werden. „Für diese Wähler sind die Umfragen von großer Bedeutung.“ Politisch Interessierte würden dann vor allem strategisch wählen, während für wenig Interessierte die Kanzlerfrage und der Faktor soziale Akzeptanz eine große Rolle spiele. „Da kann dann auch die Partei zum Zug kommen, die in den Umfragen vorne liegt oder kurz vorher noch ein Plus geholt hat“, sagt Reinemann. Ums Gewinnen geht es dabei nicht: Für weniger Interessierte sind gute oder steigende Umfragewerte ein Hinweis darauf, was die „beste“ Entscheidung ist.