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Radikale Linke nach der Wahl : „Wir werden die AfD jagen“

Im Zentrum des Interesses: Emily Laquer beim G20-Gipfel Bild: dpa

Wie reagieren die Linksradikalen auf den Wahlerfolg der AfD? Emily Laquer kündigt an, was die „Interventionistische Linke“ jetzt vorhat. Die Blockade der AfD-Wahlparty war nur der Anfang.

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          Frau Laquer, was haben Sie am Sonntagabend gemacht, als die erste Prognosen der Bundestagswahl kamen?

          Sebastian Eder
          Redakteur im Ressort „Gesellschaft & Stil“.

          Ich habe geheult. Nicht aus Schock, sondern aus Betroffenheit. Mir war klar, dass die AfD in den Bundestag einziehen wird, davor haben wir ja lange genug gewarnt. Aber es macht trotzdem betroffen, wenn eine faschistische Partei wie die AfD zum Beispiel in Sachsen stärkste Kraft wird. Gerade weil meine Familie wegen ihrer jüdischen Abstammung vor den Nazis in die Vereinigten Staaten fliehen musste. Es war tröstlich, dass noch am Wahlabend in vielen Städten Menschen auf die Straße gegangen sind.

          Nehmen Sie den Einzug der Partei überhaupt als Zäsur wahr, oder ist das nur ein Gegner mehr?

          Nein, das ist eine Zäsur. In der linken Bewegung ist seit mehr als einem Jahr darüber diskutiert worden, dass das passieren wird. Deswegen war es zentraler Bestandteil unseres Engagements, den Wahlkampf der AfD zu behindern und Veranstaltungen zu stören. „Nie wieder“ muss immer noch gelten. Mich erinnert das alles mit Schrecken an die Geschichten meiner Familie über den frühen Faschismus.

          Wie wird die radikale Linke mit dem Erfolg der AfD umgehen?

          Wir werden den Weg weitergehen, den wir im vergangenen Jahr eingeschlagen haben: In Köln haben wir mit 10.000 Menschen den Bundesparteitag der AfD gestört, im Wahlkampf haben wir dasselbe bei vielen anderen Wahlveranstaltung der AfD gemacht und auch Infostände blockiert, uns mit Transparenten davorgestellt. Ich hoffe, dass die außerparlamentarische antifaschistische Bewegung jetzt noch stärker wird. Es reicht nicht, nur geschockt zu sein und darauf zu hoffen, dass die AfD sich selbst zerlegt. Nazis verschwinden nicht, indem man sie ignoriert. Deswegen beginnen wir jetzt schon mit der Mobilisierung für den Protest gegen den AfD-Bundesparteitag am 2. Dezember in Hannover. Ich hoffe auf eine Erneuerung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Beim Birlikte-Kulturfestival in Köln war ich 2016 dabei, als wir mit Trillerpfeifen auf der Bühne den Auftritt eines AfD-Politikers verhindert haben. Wir stören überall, wo man stören kann. Manchmal hilft es auch, wenn man einen Veranstalter anruft und ihn auffordert, die AfD nicht auftreten zu lassen.

          Alexander Gauland und Alice Weidel vor der ersten AfD-Bundestagsfraktionssitzung
          Alexander Gauland und Alice Weidel vor der ersten AfD-Bundestagsfraktionssitzung : Bild: AP

          Damit unterscheidet sich Ihre Protestform aber nicht sehr von der der AfD-Anhänger, die versuchen Angela Merkel niederzuschreien. Ist Dialog da nicht zielführender?

          Es gibt gute Gründe gegen Merkel zu protestieren, aber doch nicht wegen der Grenzöffnung, sondern wegen ihrer Schließung. Und mit der AfD kann man nicht diskutieren. Leider haben viele Talkshows das nicht verstanden und den Rahmen des Sagbaren nach rechts verschoben. Die Positionen von Gauland sind faschistische Propaganda. Dem darf man kein Forum geben.

          Vor der Wahlparty der AfD in Berlin haben am Sonntag Hunderte Menschen stundenlang demonstriert. Viele AfDler empfanden die Stimmung als sehr bedrohlich, sie wussten nicht, wie sie nach Hause kommen sollen und erzählten davon, dass ihnen bereits im Wahlkampf die Reifen aufgeschlitzt wurden oder Kot in ihre Briefkästen geschmiert wurde. Es gab auch Brandanschläge auf die Autos von Politikern. Muss man als AfDler Angst haben?

          Ja, Nazis sollten Angst haben. Wir, die außerparlamentarische Linke, werden die AfD jagen. Jetzt noch entschlossener. Aber um das klar zu stellen: Wir von der Interventionistischen Linken wollen breite Bündnisse, unsere Art von Protest sind große Demos und entschlossene Blockaden. Wir organisieren keine brennenden Autos vor dem Parteitag.

          Aber die wird es geben?

          Weiß ich nicht. Sie haben von brennenden Autos geredet. Ich habe zwar kein Mitleid, wenn jemand die Karre eines AfDlers beschädigt, aber wir rufen auch nicht dazu auf.

          Linksextreme Randalierer beim G-20-Gipfel in Hamburg
          Linksextreme Randalierer beim G-20-Gipfel in Hamburg : Bild: KOALL/EPA-EFE/REX/Shutterstock

          Bei der Antifa heißt es, es sei nicht „unsere Aufgabe“, „den etablierten Parteien bei der Zurückdrängung ihrer noch rechteren Konkurrenz behilflich zu sein, denn jene Parteien sind selbst für die Rechtsentwicklung verantwortlich“. Das klingt bei Ihnen anders.

          Natürlich sind die etablierten Parteien für die Rechtsentwicklung verantwortlich. Mit der Verschärfung der Asylgesetze und dem Abbau demokratischer Rechte betreiben sie den Rechtstrend ja selbst. Daher gibt eine intensive Debatte in der außerparlamentarischen Linken, ob es für große Bündnisse mit der SPD oder gar CDU gegen den Faschismus überhaupt eine Basis gibt oder nicht. Wir sind nur dann dafür, wenn auch eine unmissverständliche Kritik an ihrer Politik laut wird.

          Haben die Bilder von den gewaltsamen Protesten gegen den G20-Gipfel vielleicht auch dazu geführt, dass viele Leute gesagt haben: Von Links kommt das Chaos, wir brauchen mehr Recht und Ordnung?

          Die „Law and Order“-Fans und die AfD-Trolle gibt es sowieso. Und die Linkspartei hat zum Beispiel in Hamburg ein Rekordergebnis erzielt, die SPD hat stark verloren. Das zeigt doch eher, dass viele Hamburger nicht damit einverstanden waren, dass Olaf Scholz ihre Stadt mit diesem riesigen Versammlungsverbot während des Gipfels zu einer demokratiefreien Zone gemacht hat.

          Sind die AfD-Wähler für Sie alle Nazis?

          Nein, wahrscheinlich nicht. Manche hoffen vielleicht, dass soziale Reformen von rechts kommen, und haben dafür den Rassismus akzeptiert. Das ist nicht nur menschlich falsch, es ist auch eine vergebliche Hoffnung.

          Gestern wurde bekannt, dass unter anderem gegen Sie persönlich wegen Ihrer Rolle bei den G20-Protesten ermittelt wird, wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs. Wie sehen Sie diesen Ermittlungen entgegen?

          Ich nehme das nicht ernst, im Gegenteil: Ich finde das ziemlich albern. Zwei Rentner aus Bielefeld und Braunschweig haben Anzeige erstattet, nachdem sie irgendwas im Fernsehen gesehen haben. Ich gehe davon aus, dass das Verfahren schnell wieder eingestellt wird. Sorgen machen mir da eher die harten politischen Urteile, die zum Teil schon gefallen sind und die Leute, die noch im Gefängnis sitzen, um an ihnen ein Exempel zu statuieren.

          Haben Ihrer Bewegung die Bilder von brennenden Barrikaden, die aus Hamburg um die Welt gegangen sind, mehr geholfen oder geschadet?

          Wir haben die größte Demonstration in Hamburg seit den Achtzigern organisiert. Unsere Blockaden waren viel erfolgreicher als gedacht, Melania Trump konnte wegen uns das Hotel nicht verlassen. Dass so viel davon dann untergegangen ist unter den Bilder von den Riots im Schanzenviertel, hat mehr mit den Medien und ihrer Sensationslust zu tun als mit uns. Der Versuch an dieser Frage die #NoG20 Bewegung zu spalten, ist aber nach hinten losgegangen. Wir stehen zusammen.

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