Radikale Linke nach der Wahl : „Wir werden die AfD jagen“
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Im Zentrum des Interesses: Emily Laquer beim G20-Gipfel Bild: dpa
Wie reagieren die Linksradikalen auf den Wahlerfolg der AfD? Emily Laquer kündigt an, was die „Interventionistische Linke“ jetzt vorhat. Die Blockade der AfD-Wahlparty war nur der Anfang.
Frau Laquer, was haben Sie am Sonntagabend gemacht, als die erste Prognosen der Bundestagswahl kamen?
Ich habe geheult. Nicht aus Schock, sondern aus Betroffenheit. Mir war klar, dass die AfD in den Bundestag einziehen wird, davor haben wir ja lange genug gewarnt. Aber es macht trotzdem betroffen, wenn eine faschistische Partei wie die AfD zum Beispiel in Sachsen stärkste Kraft wird. Gerade weil meine Familie wegen ihrer jüdischen Abstammung vor den Nazis in die Vereinigten Staaten fliehen musste. Es war tröstlich, dass noch am Wahlabend in vielen Städten Menschen auf die Straße gegangen sind.
Nehmen Sie den Einzug der Partei überhaupt als Zäsur wahr, oder ist das nur ein Gegner mehr?
Nein, das ist eine Zäsur. In der linken Bewegung ist seit mehr als einem Jahr darüber diskutiert worden, dass das passieren wird. Deswegen war es zentraler Bestandteil unseres Engagements, den Wahlkampf der AfD zu behindern und Veranstaltungen zu stören. „Nie wieder“ muss immer noch gelten. Mich erinnert das alles mit Schrecken an die Geschichten meiner Familie über den frühen Faschismus.
Wie wird die radikale Linke mit dem Erfolg der AfD umgehen?
Wir werden den Weg weitergehen, den wir im vergangenen Jahr eingeschlagen haben: In Köln haben wir mit 10.000 Menschen den Bundesparteitag der AfD gestört, im Wahlkampf haben wir dasselbe bei vielen anderen Wahlveranstaltung der AfD gemacht und auch Infostände blockiert, uns mit Transparenten davorgestellt. Ich hoffe, dass die außerparlamentarische antifaschistische Bewegung jetzt noch stärker wird. Es reicht nicht, nur geschockt zu sein und darauf zu hoffen, dass die AfD sich selbst zerlegt. Nazis verschwinden nicht, indem man sie ignoriert. Deswegen beginnen wir jetzt schon mit der Mobilisierung für den Protest gegen den AfD-Bundesparteitag am 2. Dezember in Hannover. Ich hoffe auf eine Erneuerung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Beim Birlikte-Kulturfestival in Köln war ich 2016 dabei, als wir mit Trillerpfeifen auf der Bühne den Auftritt eines AfD-Politikers verhindert haben. Wir stören überall, wo man stören kann. Manchmal hilft es auch, wenn man einen Veranstalter anruft und ihn auffordert, die AfD nicht auftreten zu lassen.
Damit unterscheidet sich Ihre Protestform aber nicht sehr von der der AfD-Anhänger, die versuchen Angela Merkel niederzuschreien. Ist Dialog da nicht zielführender?
Es gibt gute Gründe gegen Merkel zu protestieren, aber doch nicht wegen der Grenzöffnung, sondern wegen ihrer Schließung. Und mit der AfD kann man nicht diskutieren. Leider haben viele Talkshows das nicht verstanden und den Rahmen des Sagbaren nach rechts verschoben. Die Positionen von Gauland sind faschistische Propaganda. Dem darf man kein Forum geben.
Vor der Wahlparty der AfD in Berlin haben am Sonntag Hunderte Menschen stundenlang demonstriert. Viele AfDler empfanden die Stimmung als sehr bedrohlich, sie wussten nicht, wie sie nach Hause kommen sollen und erzählten davon, dass ihnen bereits im Wahlkampf die Reifen aufgeschlitzt wurden oder Kot in ihre Briefkästen geschmiert wurde. Es gab auch Brandanschläge auf die Autos von Politikern. Muss man als AfDler Angst haben?