
Jugend an die Macht? : Warum der Vorstoß für Wählen ab 16 scheitern wird
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Wurfsendung: Ob schon Sechzehnjährige den Hessischen Landtag mitwählen sollen, ist strittig. Wahlforscher sehen das kommen, die Linke fordert es, die SPD will es bei Kommunalwahlen Bild: dpa
In Hessen startet die SPD einen neuen Anlauf zur Senkung des Wahlalters. Eine Mehrheit im Landtag ist dafür, dennoch wird der Vorstoß scheitern. Warum das gut so ist.
Spätestens seit Mitte der Neunzigerjahre wird in Deutschland landauf, landab und auf fast allen Ebenen über eine Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre diskutiert. Ein Trend in diese Richtung ist dabei unverkennbar: In elf von 16 Bundesländern können Sechzehn- und Siebzehnjährige mittlerweile zumindest bei der Kommunalwahl ihre Stimme abgeben, in Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sogar die Zusammensetzung der Landtage mitbestimmen. In Hessen hingegen gilt weiter die 18-Jahre-Grenze – und das, obwohl es mit SPD, Grünen, FDP und Linkspartei im Landesparlament inzwischen eine Mehrheit für eine Änderung gibt. Alle Reformwünsche scheitern aber erstens an der konsequent ablehnenden Haltung der CDU, zweitens an der Tatsache, dass sich die schwarz-grüne Regierungskoalition in dieser Frage nicht auseinanderdividieren lassen will.
Und das ist gut so, weil man bei der schwierigen Debatte über die Wahlfähigkeit junger Menschen mit besonders viel Bedacht abwägen sollte. Zwar sind Jugendliche schon mit 14 Jahren religions- und zumindest teilweise strafmündig, das heißt, sie dürfen sich von ihrer bisherigen Konfession ab- und einer anderen zuwenden und müssen für die Folgen ihrer Handlungen strafrechtliche Verantwortung übernehmen. Menschen mit 16 dürfen in Deutschland arbeiten, ein Konto eröffnen und Steuern zahlen. Unter Hinweis darauf war das kommunale Wahlalter auch in Hessen schon 1998 von der damaligen rot-grünen Landesregierung auf 16 reduziert worden. Aber bevor die Neuregelung erstmals angewendet werden konnte, hatte sie die folgende CDU-geführte Regierung wieder kassiert. Der bisher einzige Fall, in dem ein Mindestwahlalter wieder heraufgesetzt wurde.
Jetzt hat die SPD im Wiesbadener Landtag eine neue Gesetzesinitiative für das Wahlrecht ab 16 gestartet. FDP und Linke, ebenso wie die Sozialdemokraten in der Opposition, wollen das Vorhaben unterstützen. Sechzehnjährige seien durchaus bereits politisch denkende Menschen, die man nicht von Richtungsentscheidungen auf der kommunalen Ebene ausschließen sollte, meint der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Günter Rudolph. Die Linkspartei plädiert gar dafür, das Wahlalter auch bei Landtagswahlen auf 16 Jahre abzusenken; was allerdings nur durch eine Änderung der Landesverfassung, sprich mittels einer Volksabstimmung, möglich wäre.
Fundierte Wahlentscheidung treffen
Der gelegentlich erhobene Vorwurf, der Ruf nach „Wählen mit 16“ sei ein Beleg für politischen Opportunismus, scheint spätestens seit dem 26. September widerlegt. Bei der Bundestagswahl rangierte unter den Erstabstimmenden überraschenderweise die FDP vorn. Mit 23 Prozent bei den Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen lagen die Liberalen um einen Punkt vor den Grünen und widerlegten damit die These von der Ökopartei als vermeintlich naturgegebenem Sammelbecken für Jungwähler. Welche Parteien am Ende von einer Senkung des Wahlalters profitieren würden, ist heute weniger sicher denn je.
Klar, das Wahlalter ist nichts Unveränderliches. Bis 1970 waren Bürger erst im Alter von 21 Jahren an der Wahlurne zugelassen. Seitdem dürfen alle achtzehnjährigen Deutschen bei Bundestagswahlen sowohl wählen als auch gewählt werden. Und zweifellos gibt es außer Greta Thunberg noch eine Menge andere Jugendliche, die schon mit 16 oder 17 Jahren in der Lage wären, eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen. Aber wo liegt die richtige pauschale Altersgrenze zwischen Vernunft und Vernunft?