Bundestagswahl : „Die CDU rückt nach rechts, ein Problem für Angela Merkel“
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Die Raute reicht nicht mehr: 2013 war die Union mit der „asymmetrischen Demobilisierung“ erfolgreich. Bild: dpa
Im Saarland hat die Angst vor der Linken der CDU ein Traumergebnis beschert. Müssen sich die Sozialdemokraten distanzieren? Der ehemalige Kampagnenmacher der SPD, Kajo Wasserhövel, rät ab. Das eigentliche Abgrenzungsproblem habe die Union. Ein Interview.
Kajo Wasserhövel, 54, war fast 15 Jahre lang mitverantwortlich für die Wahlkämpfe der Sozialdemokraten. Mit seiner Hilfe zog Gerhard Schröder 1998 ins Kanzleramt und hätte 2005 fast bleiben können, als die SPD nach desaströsen Umfragewerten am Ende nahezu gleichauf mit der Union lag.
Als Wasserhövel 2009 selbst in den Bundestag wollte, scheiterte er gegen den Direktkandidaten der Linken, Gregor Gysi. 2009, das war auch das Jahr, in dem die SPD mit 23 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis erreichte. Wasserhövel verabschiedete sich aus der Politik und gründete eine Strategieberatung. Jetzt ist die Schulz-Begeisterung da, die SPD hat zum ersten Mal seit 12 Jahren eine realistische Chance, den Kanzler zu stellen. Wie kann die Partei den Hype bis zur Wahl tragen? Und wie verhält sich die SPD zur Linkspartei? Schließt sie ein Bündnis aus, hat sie keine Machtoption; lässt sie sich alle Möglichkeiten offen, könnte das der Union wie im Saarland in die Karten spielen.
Wie kann die SPD den Hype um Martin Schulz mit einer Kampagne stützen?
Das ist kein Hype. Zum Teil hat sich das SPD-Ergebnis einfach normalisiert, als sie in den Umfragen Monate zwischen 22 und 24 Prozent lag, war sie unterbewertet. Die Situation hat sich aber auch innenpolitisch geöffnet: Wir erleben an verschiedenen Stellen in der Gesellschaft eine massive Repolitisierung. Nicht nur an der Sonntagsfrage zeigt sich das, auch bei Veranstaltungen. Es geht um ganz grundsätzliche Fragen der Demokratie, um Zusammenhalt, um Gerechtigkeit. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie sich jetzt einmischen müssen, dass die Dinge jetzt nicht mehr bloß verwaltet werden dürfen. In diesem Grundempfinden, auch über die engere SPD-Wählerschaft hinaus, macht die Partei mit Martin Schulz ein breites inhaltliches Angebot. Und er verbindet das mit Offenheit und Direktheit. Ich fand es auch gut, wie er nach der Saarland-Wahl das Ergebnis realistisch eingeordnet hat, er hat nicht einfach drüber hinweg geredet. Das registrieren die Menschen, sie merken, dass es eine andere Tonlage gibt.
„Gerechtigkeit“ soll im Mittelpunkt stehen. Typisch SPD, aber auch ein ziemlich großes Feld. Hält das bis zur Wahl?
Das Thema ist wie für Martin Schulz gemacht, es passt zu seiner Lebensgeschichte. Ich habe den Eindruck, dass er nicht wie ein Ideologe an Themen rangeht, sondern mit viel Augenmaß und Lebenserfahrung. Er geht auf die Menschen zu, nimmt ihre Sorgen ernst. Entscheidend wird sein, welche Stimmung sich im Sommer durchsetzt. Ist es eher ein „Gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen“, das entspricht der asymmetrischen Demobilisierung der Union 2013 – oder haben die Menschen das Gefühl, dass es eine Rekalibrierung in zentralen Fragen wie der nach Gerechtigkeit braucht.
Wenn es zum Terroranschlag kommt, ändert sich die Lage. Dann geht es um innere Sicherheit.
Klar. Solche Lagen fordern alle. Aber generell gilt: Wahlkampfplanung ist immer auch eine Wette auf die Zukunft. Da ist alles in Bewegung. Wahlkampf ist eine Dienstleistung für die Demokratie, es wird entscheidend darum gehen, welchen Politikstil die Menschen in Zukunft haben möchten.
Die Personalisierung könnte noch stärker zunehmen.
Es wird sehr stark um Inhalte gehen, es wird aber gerade in Zeiten, in denen man auf viele Krisen und Probleme reagieren muss, um Persönlichkeiten gehen. Schulz freut sich auf den Wahlkampf, ist mein Eindruck, er hat Spaß daran, auf Menschen zuzugehen. Der Gegenentwurf ist Angela Merkel, die sich ungerne auf echten Wahlkampf einlässt. Zwei Mal ist es ihr gelungen, die Regeln vorzugeben, diesmal ist das unwahrscheinlich.
Die SPD ist in einer nicht ganz einfachen Lage: Sie braucht eine realistische Machtoption, das bedeutet Rot-Rot-Grün mit der Linkspartei. Im Saarland aber zeigte sich, dass zu große Nähe zur Linken der CDU eine hohe Mobilisierung beschert. Was tun?